Herkömmliche vs. nachhaltige Stoffvarianten – Braucht es ein Umdenken?

Von Kim Ritter

Liest man die Etiketten auf herkömmlicher Kleidung, findet man häufiger Angaben wie „95% Polyester, 5% Elasthan“. Bei beiden Begriffen handelt es sich um chemisch hergestellte Kunstfasern. Setzt man sich mit einer nachhaltigen Lebensweise auseinander, wird einem vermutlich recht schnell auffallen, dass diese Stoffe nicht gerade umweltfreundlich sind. Manche greifen deshalb zu Textilien, die zu (großen) Teilen aus Baumwolle hergestellt wurden. Dass jedoch auch damit der Umwelt nicht geholfen wird, wissen viele nicht.

Deshalb gilt es, sich zu informieren, um nicht den Verkaufsstrategien der Modeindustrie zu verfallen: Weshalb sind diese Stoffe umweltschädlich? Welche nachhaltigen Alternativen gibt es? Hierum soll es in diesem Beitrag gehen.

Bereits angesprochen wurden die Kunstfasern Polyester und Elasthan. Für die Produktion dieser Stoffe wird Erdöl verwendet. Spätestens hier sollten die „Nachhaltigkeits-Alarmglocken“ klingeln, denn dass die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Erdöl sehr umweltschädlich ist, dürfte eine allgemein bekannte Tatsache sein. Falls nicht: Für Erdöl werden Regenwälder abgeholzt. Die Gewinnung sowie Öltankunfälle führen häufig zu einer Verseuchung der Flüsse und Meere und bedrohen damit Menschen und Tiere. Dies sind leider nur Bruchteile der Auswirkungen, die mit der Gewinnung des nicht erneuerbaren Rohstoffs einhergehen.

Dann wäre es doch umweltfreundlicher, zu Baumwolle zu greifen, da es sich hierbei um eine natürliche Faser handelt, die nachwachsend ist? Jein.
Baumwolle ist zwar ein Naturprodukt, das immer wieder nachwächst, jedoch werden für den Anbau von einem Kilogramm Baumwolle circa elf Tausend Liter Wasser benötigt. Außerdem kommen auch viele chemisch-synthetische Pestizide oder Düngungsmittel zum Einsatz. Möchte man also darauf achten, dass man als Konsument*in die Umwelt durch seine Käufe nicht zu sehr belastet, sollte man zumindest darauf achten, dass die Baumwolle bio-zertifiziert ist.

Dies wäre zum Beispiel eine Alternative zu oben genannte Textilien. Bio-zertifizierte Baumwolle benötigt zwar immer noch viel Wasser, jedoch sind die Auflagen für Bio-Baumwolle generell deutlich strenger. Es gelten die Richtlinien des ökologischen Landbaus, welche den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngungsmitteln und Pestiziden verbieten. Stattdessen werden natürliche Düngungsmittel wie Mist und Kompost verwendet, die zum Erhalt und der Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit beitragen. Bei herkömmlicher Baumwolle wird größtenteils genmanipuliertes Saatgut verwendet, das beim Anbau von Bio-Baumwolle verboten ist. Des Weiteren sind Landwirt*innen dazu verpflichtet, einen Fruchtwechsel einzuhalten. Dies bedeutet, dass Baumwolle im zeitlichen Wechsel mit anderen Kulturen angebaut wird. Hierdurch erzielt man zwar nicht jede Saison einen Ertrag durch die Baumwolle, jedoch verringert sich somit der Befall von Schädlingen, die sich in einer Monokultur besser ausbreiten können.

Aber Achtung! Nur weil ein Kleidungsstück aus bio-zertifizierter Baumwolle hergestellt wurde, hat man noch lange kein Bio-T-Shirt in der Hand. Die Bio-Zertifizierung bezieht sich nur auf den Anbau, weitere Arbeitsschritte bis zum fertigen Kleidungsstück werden jedoch nicht beachtet. Hierfür müssen noch weitreichendere Siegel (wie beispielsweise GOTS) hinzugezogen werden. Da Baumwolle in so vielen Textilien steckt, kann eine Umstellung auf Bio-Baumwolle sehr viel bewirken.

Eine weitere Fasergruppe mit Potential zu Nachhaltigkeit sind die regenerativen Zellulosefasern. Es handelt sich nicht um natürliche Fasern wie Baumwolle, jedoch auch nicht um komplett synthetische Fasern wie Polyester. Ihr Rohstoff ist Zellulose von Bäumen, aus der durch einen chemischen Prozess Fäden gewonnen werden. Sie werden daher auch halbsynthetische Stoffe genannt. Dazu gehört auch Viskose, manchmal auch Kunstseide genannt. Viskose besteht aus Zellulose, welche aus Holz von Buchen, Pinien, Fichten oder Eukalyptus gewonnen und mithilfe von chemischen Prozessen weiterverarbeitet wird. Hierbei wird der Zellstoff mit verschiedenen Chemikalien bearbeitet, bis eine Masse entsteht. Diese wird durch brauseartige Düsen in ein Spinnbad gepumpt, wodurch erste Viskosefilamente entstehen. Die Filamente werden dann zu Fasern gesponnen und danach weiterverarbeitet. Der Nachteil an Viskose ist die Verwendung verschiedener Chemikalien während des Herstellungsprozesses. Jedoch wird auch hier daran geforscht, den Prozess umweltfreundlicher zu gestalten, z.B. durch die Rückgewinnung der verwendeten Chemikalien.

Ein weiterer Stoff, der Viskose nicht ganz unähnlich ist, ist Modal. Modal wird aus europäischem Buchenholz gewonnen. Das hat den Vorteil, dass die Transportwege nicht so lang sind. Beim Herstellungsprozess wird ähnlich vorgegangen wie bei Viskose. Daher ist auch hier besonders wichtig, dass die Produktion in einem geschlossenen Kreislauf geschieht.

Der dritte Stoff im Bunde ist Lyocell. Bekannter ist der Stoff vermutlich unter dem Namen Tencel, ein Markenname der österreichischen Firma Lenzing für Fasern aus regenerierter Zellulose. Für die Gewinnung von Lyocell werden wie bei der Gewinnung von Viskose zunächst die Holzfasern eingeweicht, um den Zellstoff zu lösen. Das besondere an Lyocell ist jedoch, dass der Zellstoff mit einem umweltverträglichen, organischen Lösehilfsstoff gelöst wird. Bei der Produktion von Tencel werden laut Hersteller durch ein sehr umweltschonendes Verfahren der Kreislaufschließung mehr als 99% der Lösemittel zurückgewonnen und wieder in den Produktionskreislauf zurückgeführt.

Franziska Uhl von Fashion Changers zieht folgendes Fazit zur Nachhaltigkeit dieser Fasern: Da bei der Produktion von Viskose und Modal viele chemische Stoffe eingesetzt werden, die miteinander reagieren und gefährliche Abfallstoffe bilden, ist die Produktion dieser Fasern nur in einem geschlossenen Verfahren vertretbar. Lyocell schneidet am besten ab, da hier ein organisches Lösungsmittel eingesetzt wird, das in einem Kreislaufverfahren fast komplett zurückgewonnen werden kann. Der Einsatz umweltbelastender Stoffe wird dadurch stark reduziert. Für alle gilt, dass für die Nachhaltigkeitsbewertung wichtig ist, aus welcher Quelle der Rohstoff Holz stammt, und ob es ein effizientes Energiemanagement gibt, da vom Holz bis zur Faser viel Energie gebraucht wird.

Ein weiterer beliebter Stoff für die Produktion von nachhaltiger Kleidung ist Leinen. Auch Leinen ist, wie Baumwolle, eine pflanzliche Naturfaser. Dennoch sollte auch hierbei darauf geachtet werden, dass es aus einem kontrolliert biologischen Anbau (kbA) gewonnen wird. Leinen ist eine Faser, die aus den Stängeln der Flachspflanze gewonnen wird. Diese werden geerntet und anschließend geröstet, damit Holz und Rinde von den Bastfasern gelöst werden können. Die Fasern werden dann zu einem Garn gesponnen. Der Vorteil von Leinen: Es ist ein natürliches Produkt, das auch bei der Herstellung keiner Chemie ausgesetzt werden muss.

Die hier aufgeführten Stoffe sind nur ein Bruchteil der Materialien, die als “nachhaltig/er” bezeichnet werden können. Denn auch die Herstellung der sogenannten “nachhaltigen Stoffe”  geht ebenfalls mit ökologischen Belastungen einher, wenn auch in geringerem Maße. Natürlich ist es aber sehr wichtig, umzudenken und genau zu überlegen, welche Stoffe/Textilien man kauft. Schließlich sind diese häufig nicht nur ein Risiko für die Umwelt, sondern wir tragen sie auch auf dem größten Organ unseres Körpers: unserer Haut.

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