Fair Fashion – FAIRsagt?

von Tanja Lelic

Man hört immer mehr über Fair Fashion Brands und auch Second Hand Läden werden immer beliebter. Ist das nur ein Trend oder kann sich Fair Fashion tatsächlich neben den großen Fast Fashion Brands behaupten?

Plakat einer Anti-Fast Fashion Demonstration

Ich habe mich im Zuge dieses Artikels in meinem Umfeld umgehört und festgestellt, dass kaum jemand Fair Fashion kauft. Und das, obwohl bekannt ist, dass Fast Fashion umweltschädlich ist und große Brands gegen Menschenrechte verstoßen. Warum ist das so?

Dieser Frage möchte ich auf den Grund gehen und aufzeigen, was dagegen getan werden kann und getan werden muss.

 

Warum wird so wenig Fair Fashion geshoppt?

Fakt ist: Fast Fashion ist erfolgreicher als fair hergestellte Kleidung. Nun stellt sich die Frage: Woran liegt das?

Ich habe 15 Personen aus meinem Freundes- und Familienkreis, zwischen 17 und 47 Jahren, zum Thema Fair Shopping befragt, um mir ein Stimmungsbild zu diesem Thema zu verschaffen. Die Frage war, ob sie fair shoppen und warum beziehungsweise warum nicht. Da die meisten gesagt haben, dass sie nicht fair einkaufen, wollte ich herausfinden, was als Hürde empfunden wird, das zu tun. Dazu habe ich gefragt, was ihrer Meinung nach die Schwierigkeiten für Fair Fashion sind, sich neben Fast Fashion durchzusetzen. Ein genannter Aspekt war, dass es nun mal einfacher ist, Fast Fashion zu shoppen. Es ist simpler und bequemer, da man sich nicht viele Gedanken machen muss. Damit einhergehend wurde der Siegel-Dschungel kritisiert: Es ist schwierig zu überprüfen, welche Siegel tatsächlich fair sind.

Frau mit Shopping-Taschen

Ein weiterer Grund, der genannt wurde, ist, dass Fair Fashion eher online zu bekommen ist, aber nicht alle gerne online shoppen. Das Angebot in der Stadt ist im Verhältnis kleiner. Einer der wichtigsten Aspekte, wenn nicht sogar der wichtigste, sind die Preise, die vielen schlichtweg zu teuer sind -vor allem, wenn man noch jung und finanziell eingeschränkt ist. Es gibt immer wieder Zeiten und Situationen (Inflation, Energiekrise, Kriege, Pandemie etc.), in denen Menschen sich schwer tun, viel Geld für faire Mode auszugeben. Die derzeitige Inflation verlangt viel ab und es wird gespart, wo man kann. Somit auch bei der Kleidung. Außerdem wurde gesagt, dass die großen und erfolgreichen Fashion Brands Arbeitsplätze sichern, welche die Menschen in den Produktionsländern dringend brauchen. Dieser Punkt wird auch immer wieder bei FAIRstrickt oder auch bei Femnet e.V. diskutiert. Es stimmt, dass diese Menschen Arbeitsplätze brauchen, aber dann muss eben darauf geachtet werden, dass es faire, gut bezahlte und gesicherte Arbeitsplätze sind. Manchmal fehlt auch schlicht das Bewusstsein für Fair Fashion. Auf die Frage hin, ob man fair einkauft, wurde ich nicht einmal gefragt, was das überhaupt genau bedeutet. Es kristallisierte sich heraus, dass die meisten Menschen kaum bis gar nicht informiert sind über faire Mode.

Aber woran könnte das liegen?

Tragen die großen Brands die Verantwortung oder wir?

Das Problem ist: Niemand sieht sich in der Verantwortung, dieses Problem wirklich in die Hand zu nehmen. Nicht die Politik, nicht die Fast Fashion Brands, nicht die Privatperson. Wir haben die Möglichkeit zu entscheiden, was wir kaufen. Die Politik könnte dabei aber um einiges hilfreicher sein. Selbst wenn man Fair Fashion kaufen möchte, empfinden es viele Menschen als recht schwierig, sie zu finden. Eindeutigere Siegel wären beispielsweise ein Schritt in die richtige Richtung. Der Blog Beitrag von Magali Jung Ein Pfad durch den Siegel-Dschungel – FAIRstrickt vertieft dieses Thema noch mehr. Es wurden bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung gemacht, wie beispielsweise das Accord Abkommen.

FEMNET fasst das so zusammen:

,,Das Ziel des Accords ist die Durchsetzung eines Programms für verlässliche Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen, um eine sichere und nachhaltige Kleiderherstellungsindustrie in Bangladesch in einer Periode von fünf Jahren sicherzustellen.”

Das Zitat und mehr zum Accord Abkommen findest du hier zum Accord in Bangladesch – FEMNET – Frauen in der Bekleidungsindustrie. Das hört sich schonmal gut an, es gibt aber immer noch Probleme bei der Existenzlohn-Sicherung. Existenzlohn heißt, dass ein Lohn innerhalb einer Arbeitswoche verdient wird (ohne Überstunden) und für eine Familie ein angemessenes Leben gewährleistet. Das Problem ist, dass der Mindestlohn in vielen Produktionsländern meist unter dem berechneten Existenzlohn liegt. Fair Fashion gehört also immer noch nicht zu den wichtigsten Anliegen der Politik. Das Video Fair Fashion 2030 – Teil 3: Wie Politik die Vision wahrmachen kann! – YouTube geht auf dieses Thema genauer ein.

H&M Logo

Auch in der Fast Fashion Industrie gibt es erste Ansätze, mit denen Produktionsbedingungen fairer gestaltet werden sollen. Trotzdem ist faire Produktion noch lange nicht der wichtigste Aspekt bei der Herstellung. Es gilt immer noch je billiger und mehr, desto besser. Und dennoch lässt sich ein Trend erkennen, der in Richtung Fair Fashion geht. Problematisch wird es dann, wenn sich Brands als fair verkaufen, um Kunden zu gewinnen, obwohl sie in Wirklichkeit ganz und gar nicht fair produzieren oder nur zu sehr geringen Anteilen. Dieses sogenannte “Greenwashing” ist ein ernstzunehmendes Problem. Es geht um Marken, die behaupten, nachhaltig zu handeln und in Wirklichkeit keine Rücksicht auf die Ökologie nehmen. So auch der Vorwurf gegen H&M.

Die Informationen, die sie zu ihrer Conscious Reihe preisgeben, seien mager und zudem auch noch irreführend. Der Artikel https://fairstrickt.org/wie-fair-ist-hms-faire-linie/ klärt darüber weiter auf.

Nicht zuletzt lenken wir als Privatpersonen den Markt. Unser Konsumverhalten hat einen großen Einfluss. Wenn mehr Menschen fair kaufen, werden auch die Brands mehr fair produzieren. Deswegen können wir ein Zeichen setzen. Das kann bedeuten, dass wir unser Konsumverhalten ändern: weniger kaufen, dafür aber nachhaltige Kleidung, die auf den ersten Blick teurer ist, aber dafür länger haltbar. Wir sollten also weniger kaufen, dafür aber nachhaltiger und individueller. Sprich fair produzierte Stücke sowie gebrauchte Kleidung in Second Hand Shops. Dort findet man einzigartige Teile.

Um die Frage nun zu beantworten, warum sich Fair Fashion nur so schwer durchsetzt: Es wird nicht aktiv dafür gekämpft und keine tragende Instanz sieht sich in der Verantwortung. Außerdem ist “Greenwashing” ein großes Problem, das die Käuferschaft verwirrt und der tatsächlich fairen Mode im Weg steht. Zu viele Siegel verwirren die Kund:innen und entmutigen sie, Fair Fashion zu shoppen. Ein Problem ist aber auch, dass viele Menschen zu wenig über Fair Fashion wissen, was sie ausmacht und wo es sie zu kaufen gibt. Also kann man im Großen und Ganzen sagen, es wirkt alles etwas überfordernd.

ABER: Das muss es nicht sein!

Was DU dagegen tun kannst

Klar ist: Die großen Machtzentren, also unsere Politik und die großen Fast Fashion Marken, müssen für mehr Klarheit und Transparenz sorgen.

Aber auch wir als Konsument:innen können anfangen zu handeln und an unserem Konsumverhalten arbeiten. Einen Einblick in die nachhaltige Fair Fashion Industrie und in den Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen geben die beiden Organisationen Femnet e.V  und die Clean Clothes Campaign.

FEMNET e.V. handelt nach dem Motto ,,Starke Frauen, faire Arbeit“. Sie setzen sich für die Rechte der Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kampagnen, politische Mitsprache, Bildung und Aufklärung. Sie leisten aber auch solidarische Arbeit vor Ort. Die Clean Clothes Campaign kämpft für die Einhaltung von Menschenrechten in der Bekleidungsindustrie. Unter anderem kämpfen sie auch gegen Gewalt gegen Frauen. Ihre Aufgabenschwerpunkte sind unter anderem die Ausübung von Druck auf Marken, für faire Arbeitsbedingungen zu sorgen, aber auch die Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten. Sprich Lobbying für Gesetze, die gute Arbeitsbedingungen garantieren. Auf den Webseiten kannst du noch viel mehr über die Organisationen und ihre Ziele herausfinden und dich auch direkt engagieren. In Tübingen z.B. bei FAIRstrickt. Du brauchst auch keine Angst haben, wenn du noch nicht so viel Erfahrung hast. Kennst du noch weitere Organisationen, die sich für Fair Fashion einsetzen? Teile sie gerne unten.

Es ist aber bereits auch schon ein erster, wichtiger Schritt, dir und anderen bewusst zu machen, dass du dich beim Einkaufen entscheiden kannst:

Welche Werte sind mir wichtig? Kann ich mit gutem Gewissen shoppen gehen? Wie wichtig sind mir Klimaschutz und Menschenrechte? Du könntest dich zum Beispiel bei deiner nächsten Shopping Spee nur für ein Kleidungsstück entscheiden, das dafür aber fair produziert wurde. Wenn du dich dafür entschieden hast, fair zu shoppen, hilft dirSiegelverzeichnis – Siegelklarheit dabei, nicht den Überblick zu verlieren. Eine weitere Option sind Second Hand Läden.

Durchstöbern von Kleidung in einem Second Hand Shop

Davon gibt es immer mehr und sie werden auch immer beliebter. Schau mal in einen Second Hand Shop rein, vielleicht findest du ja ein cooles und dazu noch einzigartiges Stück. Der Artikel von Caroline (Verlinkung) geht auf Second Hand Shops ein. Online gibt es auch schon ähnliche Möglichkeiten wie z.B. bei Vinted. Dort kannst du nicht nur gebrauchte Kleidung kaufen, sondern auch verkaufen. Das ist nachhaltiger, denn je weniger Kleidung neu gekauft wird, desto weniger Ressourcen werden verbraucht. Kleidungsstücken ein zweites Leben zu geben, ist also nicht nur gut für den Geldbeutel, sondern auch für die Umwelt. Neben Second Hand ist auch Kleidertausch ein immer größerer Trend. Du könntest recherchieren, ob vielleicht in deiner Stadt demnächst ein Kleidertausch stattfindet. Bei Alle Veranstaltungen | Greenwire Deutschland (greenpeace.de) kannst du Kleidertausch-Aktionen finden.

Fazit

Also: Lass dich nicht zu leicht entmutigen, Fair Fashion einzukaufen. Auch wenn es auf den ersten Blick überfordernd wirkt, lohnt es sich, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und seinen Beitrag zu leisten. Manchmal ist es besser, weniger zu kaufen, dafür nachhaltiger und mit einem guten Gewissen. Und wenn du trotzdem gerne shoppen gehst und nicht zu viel Geld ausgeben möchtest, probiere es mal mit Second Hand Läden und Kleidertausch-Aktionen. Denn der Klimawandel wird immer drastischer und Menschenrechtsverletzungen gibt es immer noch zu viele. Es muss was dagegen getan werden -und auch du kannst ohne viel Aufwand aktiv werden.
Kaufst du Fair Fashion?
Ja? Wenn du noch weitere Tipps hast, wo und wie man Fair Fashion kaufen kann, dann teile sie gerne hier!
Nein? Was empfindest du als problematisch und wo siehst du Hürden? Teile deine Erfahrungen mit uns in den Kommentaren.

Quellen.

  1. Was ist Greenwashing? Definition und Beispiele (umweltmission.de)
  2. Fair Fashion 2030 – Wie sieht die Modeindustrie der Zukunft aus? – Kampagne für Saubere Kleidung | Clean Clothes Campaign Germany (saubere-kleidung.de)
  3. Greenwashing-Vorwurf gegen H&M | DiePresse.com
  4. FEMNET e.V. – Startseite – FEMNET – Frauen in der Bekleidungsindustrie
  5. Clean Clothes Campaign
  6. Siegelverzeichnis – Siegelklarheit
  7. Second Hand Mode: 8 gute Gründe für Vinted & Co | FOCUS.de
  8. existenzlohn: wer zahlt für mein t-shirt? | BewusstGrün (bewusstgruen.de)
  9. zum Accord in Bangladesch – FEMNET – Frauen in der Bekleidungsindustrie