Nachhaltig Kleidung einkaufen – ist das möglich?

Blick auf den Tübinger Marktplatz

Von Carina Buck

Vielen Menschen ist klar: Wenn wir Umwelt und Menschenrechte schützen wollen, muss jede:r von uns das eigene Konsumverhalten überdenken. Aber wo fange ich an? Und was muss ich beachten? Ich zeige euch, wo ihr in Tübingen nachhaltig Kleidung Einkaufen gehen könnt, wie ihr dabei am besten vorgeht und so euren Kleiderschrank nachhaltiger gestalten können.

Im Jahr 2021 hatten wir alle Ressourcen, die die Erde dem Menschen zur Verfügung stellt, am 29.07.2021 aufgebraucht. Das war der Tag des weltweiten #earthovershootday in 2021. Doch heute möchten wir zum Tag des deutschen #earthovershootday kurz beleuchten, wie sich ein solcher Tag berechnen lässt und wie wir auch durch nachhaltigen Textilkonsum etwas zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs beitragen können. Dieses Jahr hat Deutschland schon nach gerade mal 125 Tagen nämlich heute am 4. Mai sein “Ressourcen-Kontingent” erreicht. Die ökologischen Ressourcen, die eigentlich erst bis Ende des Jahres hätten verbraucht werden sollen, sind nun schon aufgebraucht. Doch was bedeutet das genau? Ab diesem Tag gewinnen die Menschen, die in Deutschland leben, der Erde mehr natürliche Ressourcen, wie Holz, Pflanzen usw. ab, als in diesem Jahr noch nachwachsen könnte. Außerdem stoßen wir nach diesem Datum mehr CO2 aus als die Natur aufnehmen könnte. Um unter den 2 Grad der globalen Erwärmung zu bleiben, muss jede:r einzelne von uns Verantwortung übernehmen.

Mein persönlicher Earth Overshoot Day (Welterschöpfungstag) ist der 21. April, so zumindest nach dem Ökologischen-Fußabdruck-Rechner. Wenn jeder Mensch auf dieser Welt so viele Ressourcen für den Alltag benötigen würde wie ich, bräuchte die Menschheit 3,1 Erden. Eine sehr ernüchternde Bilanz.

Wie bereits der Dalai Lama sagte: „Jede Veränderung beginnt in uns.“

Als Verbraucher:innen beeinflussen wir den Markt und unser Konsum hat Auswirkungen auf die Umwelt. Jedes Jahr werden mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Davon können weniger als 1% zu neuen Textilien recycelt werden (vgl. Greenpeace- Faktencheck Konsum). Durch die Fast-Fashion-Industrie kaufen Menschen doppelt so viele Kleider und tragen sie nur die Hälfte der Zeit (vgl. Greenpeace- Timeout for Fast Fashion). In einem der einzigartigsten Naturparadiese, die Atacama-Wüste im Norden Chiles, spielt sich seit Jahren ein Umweltverschmutzungsszenario ab. Chile gilt als einer der größten Importeure von Altkleidern in Lateinamerika. Von den tausenden Tonnen der Altkleider werden 40% aussortiert und landen in der trockensten Wüste der Welt. Dort wächst über die Jahre immer weiter ein gigantischer Berg an Klamotten. Die Textilien der Fast-Fashion-Industrie sind so giftig wie Plastik oder Reifen. Nach einer aktuellen Greenpeace-Studie setzt die Textilindustrie mehr als 70 gesundheits- und umweltgefährdende Chemikalien ein. Das in den Klamotten enthaltene Polyester braucht bis zu 200 Jahre, um sich abzubauen, und auch dann bleibt Mikroplastik übrig.

Was kann ich als einzelner Mensch also tun, um nachhaltiger zu leben?

Nachhaltiger als Neukauf: Nutze was du hast

Am nachhaltigsten ist es, Ressourcen zu schonen. Für jedes neue Produkt sind Ressourcen notwendig. Zudem verursacht die Produktion neuer Produkte Emissionen und verbraucht Energie. Um Umweltverschmutzungen wie in der Atacama-Wüste zu verhindern, müssen wir uns alle dafür einsetzen, dass bereits vorhandene Produkte weiter im Umlauf bleiben und weniger Produkte neu produziert werden. Hier bekommst du Tipps an die Hand, um die Ressourcen unserer Erde zu schonen, indem du deinen eigenen Kleiderschrank nachhaltiger gestaltest.

Tipps für den vorhandenen Kleiderschrank

  • Repariere deine Sachen. Ob Löcher in den Socken oder ein ausgefranster Saum – Löcher zu stopfen ist schnell gemacht. Dafür lohnt sich auch immer Notfallfaden und Nadel zu Hause zu haben. Falls du weder Faden noch Nadeln zu Hause haben solltet, findest du in jeder Drogerie ein Set zu kaufen.

Für die Leser:innen aus und um Tübingen – schaut gerne im Werkstadthaus vorbei. Hier findet ihr 1x/Woche die offene Nähwerkstatt. In der offenen Nähwerkstatt könnt ihr mit Unterstützung anderer Näh-Begeisterter eure Kleidung reparieren, aber auch aus alten Kleidungsstücken neue Dinge erschaffen. Schaut gerne einfach auf der Homepage vorbei.

Das Werkstadthaus – Stadtteiltreff und offene Werkstatt in einem

 

  • Vorhandenes neu entdecken. Ich schaue in meinen Kleiderschrank und finde einfach nichts zum Anziehen. Egal, wie tief ich reinschaue und meine ganzen Klamotten durchwühle. Nichts gefällt mir. Kommt dir das bekannt vor? Hier lohnt es sich, nicht, frustriert aufzugeben und mit einem Müllsack als Outfit aus dem Haus zu gehen (kann schon auch gut aussehen, keine Frage). Lasse deiner Kreativität freien Lauf und dich probiere dich aus. Auch wenn die neuen Kombinationen auf den ersten Blick super schräg aussehen sollten (schräger als der Müllsack wird’s nicht), so öffnest du deinen kreativen Blick für mögliche kommende Trends in 2022. Weitere Ideen kannst du dir bei Isabel (Fashion-Blogger-Outfits nachhaltig nachgestylt) unter folgendem

 

  • Naja, wenn das mit dem Neuentdecken nicht so hingehauen hat und du mit deinem Kleiderschrank weiterhin unzufrieden bist, dann gib doch deine Sachen weiter. Marie Kondo ist Interntational als Aufräumexpertin für ihre KonMari-Methode bekannt. Kern dieser Methode ist die folgende „Glücksregel“: Bringt mir dieses Kleidungsstück Freude? Lautet die Antwort klar „Nein“, ist es ein Zeichen, sich von diesem Kleidungsstück zu trennen. Hierfür bieten sich Tauschpartys innerhalb des Freundeskreises super für an. Vinted oder ebay-Kleinanzeigen sind ebenfalls gute Anlaufstellen.

 

Gebraucht einkaufen = Ressourcen schonen

Second Hand Mode ist nachhaltig. Durch das Kaufen von Second-Hand-Artikeln schonst du die Ressourcen unserer Welt und reduzierst deutlich die Menge an Abfall. Für einen Kilo Baumwolle werden rund 11.000 Liter Wasser benötigt. Verwendest du Altkleider wieder, wird das Wasser, die Wolle und viele weitere Rohstoffe der Welt gespart. Zudem vermeidest du den durch den Kauf entstehenden Verpackungsmüll und die Kleidung landet nicht auf der Müllhalde in Chile.

Second-Hand

Second-Hand - nicht nur ein Trend

Second-Hand – nicht nur ein Trend, Vintage-Store Tübingen, Kronenstraße 17

 

Neu einkaufen – aber dafür öko und fair

Green Concept Store “Style afFAIRe” in Tübingen, Marktgasse 4

Die Schuhe im Schaufenster sind so schön und du musst sie einfach haben? Wenn neue Kleidungsstücke, dann am besten öko, fair und mit grünem Label. Die besten Angebote an nachhaltiger Mode findest du in grünen Concept Stores. Eine regelmäßige aktualisierte Ladenliste findest du hier. Zudem hat dir Anna-Lena eine Guideline für Fair Fashion Shops und Tipps erstellt, worauf du beim Einkaufen achten solltest.

Mache dich selbst frei

Unser individuelles Erscheinungsbild ist im Alltag maßgeblich durch die Kleidung bestimmt. Auch wenn wir durch Frisur, Haarfarbe, Gesichtsbehaarung und Make-up unser Aussehen verändern können, macht der Großteil vom Sichtbaren unsere Kleidung aus. Dabei laufen beim bewussten Auswählen bestimmter Kleidungsstücke viele Prozesse unterbewusst ab, die mit allerlei kulturellen Phänomenen verbunden sind. Darunter fällt unter anderem die Subkultur, zu der man sich zugehörig fühlt, wie zum Beispiel Hip-Hop oder Rock. Außerdem ist die Prägung durch eigene Vorbilder oder Ikonen ein weiterer beeinflussender Faktor. Dabei spielen soziale Netzwerke wie zum Beispiel Instagram eine große Rolle, durch die man den Influencer:innen in ihrem Alltag folgen kann und die für neue Trends Werbung machen.

Daher hier mein Appell: Finde deinen eigenen Stil, der dich vom aktuellen Trend abhebt. So zeigst du auch nach außen deine Individualität, ohne in die Konsumfalle zu tappen.

Zeige nach Außen deine Individualität – hierbei unterstützt dich das Unikat in der Innenstadt Tübingen

 

An die Tübinger:innen

Tübingen ist seit dem 1. Dezember 2010 eine Fairtrade-Stadt. Dadurch wird gezielt auf der kommunalen Ebene der Faire Handel gefördert und immer mehr Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Schulen und Vereine bieten und nutzen fair gehandelte Produkte.

Um als Tübinger:in maximal davon profitieren zu können, hat die Stadt Tübingen einen Fair-trade-Einkaufsführer erstellt. In diesem Führer kannst du Geschäfte finden, die Fairtrade-Produkte führen. Die Auflistung wird regelmäßig erneuert und ergänzt. Hier findest du die Geschäfte, die faire Produkte führen (aufgelistet nach Produktgruppen).

Vielen Dank für das Lesen. Ich hoffe sehr, dass dir die Tipps in Zukunft beim nachhaltigen Einkaufen helfen werden. Hast du weitere kreative Ideen, um den eigenen Kleiderschrank nachhaltiger zu gestalten? Kennst du weitere Projekte in und um Tübingen, die sich für ein nachhaltiges Konsumieren einsetzen? Oder möchtest du auch einfach deine Gedanken zu diesem Thema teilen, dann melde dich gerne bei uns! Wir freuen uns von dir zu hören.

 

Weiterführende Links

  • Hier könnt ihr euren ökologischen Fußabdruck berechnen.
  • Hier findest du den Fairtrade-Einkaufsführer der Stadt Tübingen.
  • Hier findest du von Regionale Netzstellen Nachhaltigkeitsstrategien (RENN) einen Ratgeber, worauf du beim Kauf von Kleidung und Pflegeprodukten achten solltest.
  • Hier findest du den Greenpeace Chemie und Textilsiegel Einkaufsratgeber.
  • Hier findest du weitere Informationen zur offenen Nähwerkstatt in Tübingen.

Quellen

  • Earth Overshoot Day 2021. Online verfügbar unter: https://www.br.de/wissen/earth-overshoot-day-welterschoepfungstag-oekologischer-fussabdruck-klima-100.html
  • Nachhaltig einkaufen – wie geht das? Online verfügbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/nachhaltig-leben/nachhaltig-einkaufen-wie-geht-das–319046
  • Konsum und Umwelt: Zentrale Handlungsfelder. Online verfügbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/konsum-umwelt-zentrale-handlungsfelder#bedarfsfelder
  • Greenpeace – Faktencheck Konsum. Online verfügbar unter: https://greenwire.greenpeace.de/system/files/2019-04/20181030-greenpeace-factsheet-makesmthng-konsum.pdf
  • Greenpeace – Timeout for Fast Fashion. Online verfügbar unter: https://wayback.archive-it.org/9650/20200401053856/http://p3-raw.greenpeace.org/international/Global/international/briefings/toxics/2016/Fact-Sheet-Timeout-for-fast-fashion.pdf
  • Greenpeace – Detoxreport 2021. Online verfügbar unter: https://www.greenpeace.de/publikationen/detoxreport-2021