Von Cecilia Schütte
Morgens bin ich oft in Eile: der Kaffee kocht auf dem Herd, meine Hündin möchte raus und die erste Uni-Veranstaltung beginnt auch bald. Meistens verlasse ich die Wohnung deshalb in einer T-Shirt-Jeans-Turnschuh-Kombination. Ich weiß, dass ich eigentlich noch andere Optionen hätte, aber um sie auszuprobieren, fehlt mir dann doch die Zeit und die Lust. Im Ergebnis sieht also nur ein Teil meiner Kleidung regelmäßig das Tageslicht und ich bin gelangweilt von meinen Outfits. Diese Langeweile führt jedoch nicht etwa dazu, dass ich mich mit dem auseinandersetzen möchte, was ich schon habe – nein. Ich bekomme eher das
Gefühl, dass mir etwas fehlt. Also hängt schon bald eine schöne, neue Bluse in meinem Schrank. Und da bleibt sie auch erstmal, denn ich ziehe ja keine Bluse an, um morgens mit den Hunden auf der Neckarinsel zu toben.
Regeln für einen nachhaltigen Modekonsum
In den sozialen Netzwerken sehe ich mir gerne Inhalte zu den Themen Mode und Nachhaltigkeit an. Bei Influencer*innen, die beide Bereiche bedienen, habe ich schon oft von einer bestimmten Kleiderschrank-Philosophie gehört: der Capsule Wardrobe. So zeigen etwa Minimal Mimi, A Small Wardrobe oder Immy von Sustainably Vegan, dass man keinen randvollen Schrank braucht, um sich gut zu kleiden. Die grundlegende Idee ist nämlich, sich saisonal auf eine begrenzte Anzahl an Kleidung, Schuhen und Accessoires zu beschränken. Dafür müssen die Teile gut miteinander kombinierbar sein. Nach einer Saison können einzelne Kleidungsstücke ausgetauscht oder eingelagert werden. Idealerweise ergibt sich mit der Zeit eine Auswahl, die man so gerne trägt und kombiniert, dass sie einem über Jahre erhalten bleibt – eine Art persönliche Uniform. Dafür müssen die Kleidungsstücke natürlich auch eine gute Qualität haben. Diejenigen, die das Regelwerk befolgen, schwärmen davon ihren persönlichen Stil gefunden und einen großen Schritt in Richtung eines nachhaltigen Modekonsums gemacht zu haben. Sie haben immer etwas zum Anziehen und tragen alles, was ihr Schrank hergibt. Es scheint also, als wäre eine Capsule Wardrobe genau das Richtige für mich. Schon eine kurze Google-Suche führt zu vielen verschiedenen Anleitungen und Erfahrungsberichten. Lesestoff gibt es z.B. bei Utopia.de, dem Glamour-Magazin oder dem Blogazine the OGNC.
Eine Idee, viele Ansätze
Jedes Thema, das in den sozialen Netzwerken auf große Zustimmung trifft, wird früher oder später auch zu Werbezwecken eingesetzt. Mittlerweile haben also auch Modeproduzent*innen den Begriff der Capsule Wardrobe aufgegriffen und nutzen ihn, um ihre Produkte zu verkaufen. So finden sich beispielsweise bei Breuninger, deBijenkorf und hessnatur neben guten Tipps auch die eigenen Produktplatzierungen. Daneben versuchen auch zahlreiche Influencer*innen mit kostenpflichtigen Workshops und Büchern an der eigentlich sehr einfachen Idee Geld zu verdienen. Mit ein bisschen Geduld findet man in dem Angebots-Dschungel aber auch sehr gute kostenlose Informationen und Materialien. Ich habe mich für das (englischsprachige) E-Book der Influencerin Madeleine Alizadeh (alias dariadaria) entschieden. Man kann das „Capsule Wardrobe Workbook“ kostenlos auf der Website ihrer nachhaltigen Bekleidungsmarke dariadéh herunterladen. Meines Erachtens ist das E-Book zwar ein gelungener Marketing-Coup, jedoch keine aktive Werbung. Am Ende dieses Artikels habe ich aber noch weitere gute Angebote auf Deutsch und auf Englisch aufgelistet.
Das Selbstexperiment beginnt
Das E-Book meiner Wahl sieht fünf Schritte vor, die mich zu meiner eigenen Capsule Wardrobe führen sollen. Dabei muss ich nicht nur lesen und nachdenken, sondern soll meinen Weg vielmehr auch schriftlich dokumentieren.
Als erstes wird festgehalten, welche Aktivitäten zu meinem Alltag gehören und was für einen Anspruch ich an meinen Kleiderschrank habe. Außerdem soll ich meine Kleidung ein erstes Mal durchgehen und mir überlegen, ob mir etwas fehlt. Für mich sind schon diese ersten Fragen nicht sehr leicht zu beantworten. Seit dem Beginn der Pandemie muss ich meine Wohnung nicht wirklich oft verlassen. Auch aktuell finden fast alle Uni-Veranstaltungen noch online statt. Wenn ich zu Hause bin, trage ich meistens Leggings und einen Schlabberpulli. Doch dieser Zustand ist hoffentlich nur vorübergehend und mein Alltag wird sich bald verändern. Wenn ich rausgehe, dann meistens mit meiner Hündin. Dabei trage ich Kleidung, die praktisch ist und schmutzig werden kann. Ich würde aber nur ungern einen Schrank voll Hundebesitzer-Kleidung haben. Mein Ziel ist es, gerade weg von den bequemen Lockdown-Leggings und hin zu einem modischeren Kleidungsstil zu kommen. Ich weiß zwar, dass ich eigentlich den wahren Ist-Zustand festhalten soll, finde es in meinem Fall jedoch hilfreicher sich an einem „realistischen Wunsch-Zustand“ zu orientieren.
Der zweite Arbeitsschritt beginnt mit einer Pinterest-Recherche. Um meinen persönlichen Stil besser einschätzen zu können, soll ich Bilder, Farben und Outfits, die mir gefallen, in separate Ordner pinnen. Diese Aufgabe fällt mir sehr leicht, da ich Pinterest nutze und bereits ähnliche Ordner angelegt habe. Nur nach Lieblingsfarben habe ich noch nicht gesucht. Nach der Recherche soll man über einen gewissen Zeitraum mit Fotos dokumentieren, welche Kleidung man tatsächlich trägt. Da ich zu Beginn des Experiments schon das Abgabedatum für diesen Artikel im Hinterkopf hatte, habe ich mich dafür entschieden diesen Punkt zu überspringen. Er würde wohl eigentlich ein bis zwei Wochen dauern. Ich beschäftige mich schon seit längerer Zeit mit dem Thema nachhaltige Mode und meinem eigenen Kleiderschrank. Deshalb weiß ich ungefähr welche Kleidungsstücke ich wie oft bzw. selten trage. Dank meiner Pinterest-Vorarbeit konnte ich die beiden ersten Arbeitsschritte in ca. zwei Stunden erledigen.
Nun geht es endlich ans Planen. Das E-Book gibt für den dritten Schritt keine feste Anzahl von Kleidungsstücken oder andere Regeln vor. Es verweist jedoch auf drei sehr beliebte Konzepte, die schon von zahlreichen Influencer*innen umgesetzt wurden: das Project 333, die 10 x 10 Challenge und den Kleiderschrank mit 37 Teilen. An dieser Stelle habe ich mich deshalb noch einmal mit allen Konzepten auseinandergesetzt und viel interessanten Input bekommen. Alle drei verfolgen die Idee über einen gewissen Zeitraum mit einer begrenzten Anzahl an Kleidungsstücken auszukommen. Dafür muss jedes einen Zweck erfüllen – eine „vielleicht-ein-anderes-Mal-Bluse“ hat schlichtweg keinen Platz. Die Garderobe ist nicht mehr nur eine Sammlung von zufällig gekauften Teilen, sondern das Abbild des individuellen Alltags und Geschmacks. Mich hat besonders der kreative Prozess hinter dem Planen und Zusammenstellen von Outfits angesprochen. Beim Project 333 hat man 33 (oder weniger) Teile für 3 Monate zur Verfügung. Die 10 x 10 Challenge erlaubt 10 Teile für 10 Tage. Ich selbst habe mich dafür entschieden mich an einen Kleiderschrank mit 37 Teilen heranzuwagen. Sportkleidung, Unterwäsche und Socken zähle ich aber nicht dazu. Wer sich jetzt vielleicht noch nicht vorstellen kann, seinen Kleiderschrank selbst umzukrempeln, kann in den verschiedenen YouTube-Videos zumindest andere dabei beobachten und ihre Ergebnisse sehen.
Ein Neustart für meinen Kleiderschrank
An einem Samstagmorgen hole ich also meine ganze Kleidung aus dem Schrank und stelle alle meine Schuhe in einer Reihe auf. Als erstes mache ich einen Stapel mit den Teilen, die ich gerne und regelmäßig trage. Anschließend lege ich Kleidungsstücke dazu, die sich wahrscheinlich gut mit ihnen kombinieren lassen. In einer separaten Zimmerecke sammele ich alles, was ich nicht gerne trage bzw. was nicht zu meiner Capsule Wardrobe passt. Eigentlich sollte in einem vierten Schritt noch das große Ausmisten erfolgen. Da ich jetzt aber erst einmal experimentiere, will ich keine endgültigen Entscheidungen treffen. Alles, was nicht in die engere Auswahl kommt, wird eingelagert.
Beim Erstellen der Capsule Wardrobe ziehe ich auch noch einmal die Pinterest-Boards heran. Ich versuche die gepinnten Farbkombinationen und Outfits mit meinen eigenen Kleidern nachzustellen. Ehrlich gesagt werfe ich dann aber irgendwann jede Ordnung über Bord und probiere einfach aus, wie sich meine Sachen kombinieren lassen. Ich habe so etwas schon ein paar Mal gemacht – allerdings immer ohne Schuhe und Jacken. Ich muss sagen, dass es ganz schön kompliziert ist, Outfits zusammen zu stellen, mit denen man rundum zufrieden ist. Zwischendurch muss ich immer mal wieder eine Pause einlegen und an die frische Luft gehen. Deshalb ist es schon später Nachmittag als ich meine auserwählten 37 Teile dann schließlich in den Schrank einräume.
Seit diesem Samstagabend befinde ich mich also in der fünften und letzten Phase. Ich teste, ob mir meine Outfits gefallen und wie oft ich welche Teile trage. Schon jetzt kann ich sagen, dass die geringere Anzahl an Kleidungsstücken die Entscheidungsfindung sehr erleichtert. Auch das Packen geht sehr viel schneller als vorher. Da ich die Kombinationen alle schon einmal ausprobiert habe, greife ich neben den Jeans auch mal zu einer Stoffhose oder einem Kleid. Es kann natürlich auch sein, dass mich das Experiment und dieser Artikel zusätzlich motivieren, mehr aus meinem Kleiderschrank herauszuholen. Trotz verschiedener Sale-Aktionen habe ich mich auch darangehalten, keine neuen Sachen zu kaufen.
Die Zahl 37 klingt erst einmal sehr hoch. Tatsächlich hat man sie mit verschiedenen Kleidungsstücken, Accessoires und Schuhen dann doch sehr schnell erreicht. Schon nach ein paar Tagen habe ich mich an ein kariertes Hemd erinnert, dass ich gerne angezogen hätte. Allerdings befindet es sich, zusammen mit den anderen eingelagerten Teilen, in meinem Bettkasten. Ich habe es zwar nicht herausgeholt, mir aber eine mentale Notiz gemacht. Ganz klar geschummelt habe ich bei meiner Hunde-Garderobe. Für ausgiebige Spaziergänge trage ich eine separate Jacke, Jeans und Gummistiefel. Es war für mich nicht praktikabel die Kleidung in meinen eigentlichen Kleiderschrank zu integrieren und die drei Plätze an sie zu „verschwenden“.
Aus diesen ersten Erfahrungen ziehe ich vorerst den Schluss, dass ich mit dem Konzept an sich sehr gut zurechtkomme, mich aber möglicherweise nicht auf eine bestimmte Anzahl an Kleidungsstücken festlegen will. Ich werde meine Capsule Wardrobe aber auf jeden Fall bis zum Ende der Saison behalten und anschließend überlegen, ob und wie ich ihn weiterführen möchte. Unabhängig davon habe ich gelernt, dass meine impulsiven und unüberlegten Kaufentscheidungen nur zu meiner Unzufriedenheit beigetragen haben. Ich habe schlichtweg den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen und deshalb die einfachste Option gewählt: Jeans und ein T-Shirt.
Die nachhaltigste Art des Modekonsums ist wohl die, bei der man hauptsächlich trägt was man schon hat und nur dann etwas Neues (oder auch secondhand) kauft, wenn man es braucht. Sowohl die Capsule Wardrobe, als auch die anderen beiden Challenges können dabei helfen. Indem man einen Teil der Garderobe herauspickt und einen anderen einlagert, bleiben die eigenen Kleidungsstücke länger interessant. Wenn man das Gefühl hat etwas Neues zu brauchen, kann man vielleicht erst einmal im eigenen Kleiderschrank auf Shopping Tour gehen, bevor man das nächste Geschäft aufsucht. Das Planen und Instandhalten meiner Garderobe ist ein kreativer Prozess, der mir persönlich sehr viel Spaß macht. Ich glaube aber auch, dass ich zukünftige Einkäufe noch nachhaltiger gestalten kann und werde: Natürlich möchte ich zunächst die Anzahl an Neuzugängen in meiner Garderobe weiter reduzieren. Die Teile, die es aber bis in meinen Schrank schaffen, müssen mir zu 100% gefallen und eine gute Qualität haben. Dies gilt auch für Kleidungsstücke, die ich gebraucht kaufe bzw. erhalte.
Hast du schon mal von dem Konzept Capsule Wardrobe gehört oder es vielleicht sogar selbst ausprobiert? Erzähl uns gerne von deinen Erfahrungen!
Wenn du mehr über die Capsule Wardrobe erfahren möchtest, dann schau doch mal auf diesen Seiten vorbei:
Englisch:
Hier findest du noch einmal den Link für das kostenlose „Capsule Wardrobe Workbook“ von dariadaria:
https://dariadeh.com/products/free-capsule-wardrobe-workbook
Die amerikanische Bloggerin Caroline Joy gilt als eine der Begründerinnen der Capsule-Wardrobe-Idee. Insbesondere den Kleiderschrank mit 37 Teilen hat sie perfektioniert. Hier findest du ein paar ausgewählte Artikel und Arbeitsblätter:
http://www.un-fancy.com/capsule-wardrobe-101/what-is-a-capsule-wardrobe-anyway/
https://www.un-fancy.com/capsule-wardrobe-101/how-to-build-a-capsule-wardrobe/
https://www.un-fancy.com/capsule-wardrobe-101/free-printable-wardrobe-planner/
Die englische Influencerin Anna Newton hat verschiedene Blogbeiträge und YouTube-Videos zum Thema veröffentlicht. Hier findest du das Einsteigervideo:
https://www.theannaedit.com/how-to-make-a-capsule-wardrobe/
Die dänische Influencerin Signe Hansen Glud hat die Capsule Wardrobe und nachhaltige Mode zu ihrem Hauptthema gemacht. Hier findest du einen Einsteiger-Blogbeitrag und ihre sehr ausführliche Schritt-für-Schritt-Anleitung im Video-Format:
https://www.youtube.com/watch?v=ZiO1dX7h-o4
Deutsch:
Die deutsche Influencerin Anne setzt sich auf ihrem Blog „Recklessly Restless“ sehr ausführlich mit dem Thema auseinander. Hier findest du einen Einsteiger-Blogpost:
https://recklessly-restless.com/capsule-wardrobe-deutsch/
Der Blog des Online-Shops „greenality“ hat eine sehr ausführliche Anleitung für das Erstellen einer Capsule Wardrobe veröffentlicht. Darin finden sich auch verschiedene Links zu weiteren Beiträgen:
https://www.greenality.de/blog/capsule-wardrobe/
Die deutsche Influencerin Mirella Precek hat ihren ersten Capsule-Wardrobe-Versuch in einem Video festgehalten:
https://www.youtube.com/watch?v=weyFD063ONM
Bildquellen:
Bild 1:
<a href=”https://de.freepik.com/fotos/fotografie”>Fotografie Foto erstellt von freepik de.freepik.com</a>
Bild 2:
<a href=’https://de.freepik.com/fotos/frau’>Frau Foto erstellt von pvproductions – de.freepik.com</a>
Quellen:
Project 333 – Erin Elizabeth:
https://www.youtube.com/watch?v=gvTFiMgAmmg
Capsule Wardrobe – The Anna Edit:
https://www.youtube.com/watch?v=gvTFiMgAmmg
Capsule Wardrobe Organisation – Use Less:
https://www.youtube.com/watch?v=ISQhrBA_shQ
Capsule Wardrobe – Justine Leconte:
https://www.youtube.com/watch?v=lpYUY9CpghY
Das „Capsule Wardrobe Workbook” von Dariadeh
https://dariadeh.com/products/free-capsule-wardrobe-workbook