Wie fair ist H&M’s faire Linie?

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Von Annika Seibel 

Ging es dir auch schon mal so, dass du in einem H&M-Store vor den riesigen, grünen Werbeplakaten der H&M-Conscious-Kollektion (deutsch: bewusst) standst und dich beim Blick auf die glücklichen Gesichter der Models gefragt hast, wie bewusst und nachhaltig diese Kollektion jetzt tatsächlich ist? Wir auch – und deshalb haben wir uns diese einmal genauer angeschaut.

Mittlerweile haben die meisten großen Fast Fashion Modemarken ihre eigene „grüne“ Linie, bei denen sie für mehr Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein werben. So auch die H&M-Conscious-Kollektion, die mehrmals im Jahr mit neuen Linien erscheint. Die Modefirma wird dann stolz in den Medien positioniert, in aufwendig produzierten Werbesports präsentiert und auf ihrem Online-Shop ganz vorne auf der Startseite platziert. Handelt es sich dabei allerdings schlicht um Greenwashing (d.h. dem Versuch, sich als Unternehmen im öffentlichen Bild besonders umweltbewusst darzustellen) oder ist es tatsächlich der Versuch von großen Modefirmen, Schritt für Schritt eine Umstrukturierung in der Branche anzugehen? Wir haben die Linie aus verschiedenen Perspektiven unter die Lupe genommen.

H&M Conscious: Was sagt H&M selbst – oder auch: Wie sollte es sein?

Bereits mit wenigen Klicks auf dem Online-Shop landet man im Conscious-Bereich der Webseite, auf dem H&M verspricht „bei der Herstellung aller Produkte“ auf die „Menschen, die sie herstellen und die Umwelt“ zu achten. Dort findet sich auch die Erklärung der Conscious-Produkte: Alle Kleidungsstücke, die mindestens 50 % nachhaltige Materialien enthalten (dazu gehören nach eigenen Angaben z.B. Bio-Baumwolle oder recyceltes Polyester) bekommen das firmeneigene Conscious-Label. Mit welchen Materialien die Firma arbeitet, wird auf einem externen Link aufgelistet und dort findet sich sogar eine eigene „Material Ethics policy“, also eigene Richtlinien für deren Umgang mit Materialien. Dabei setzt sich die Firma eigene Ziele, wie zum Beispiel, dass sie ab dem Jahr 2020 nur noch Baumwolle aus „nachhaltigeren Quellen“ verwenden wollen (und dies nach eigenen Angaben nun auch tun), allerdings ist nur schwer nachvollziehbar, was die Firma darunter versteht und worin sich die neuen Baumwolllieferanten von den alten Lieferanten unterscheiden.

Zudem gibt es einen eigenen Blog der H&M Group, auf dem die Werte der Firma weiter ausgeführt werden, und auf dem das Thema „Sustainability“ eine eigene Kategorie bekommt. Als die drei Grundpfeiler, um sich als Firma mehr rund um das Thema Nachhaltigkeit einzusetzen, nennt die Firma dabei Folgendes: Innovation, Transparenz und inspirierendes nachhaltiges Handeln. Sie möchte damit neue, nachhaltige Geschäftsmodelle und technische Neuerungen in Gang bringen, Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, sowie die Daten der Firma offenlegen und schließlich offene Diskussionen mit Entscheidungsträgern zu Themen wie Mindestlöhnen, Arbeitsrecht und Klimawandel führen. Hört sich doch gar nicht so schlecht an, oder?

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Caption: Häufig werben Modefirmen mit zukunftsbewussten, coolen Slogans – doch was steckt dahinter?

Was sagen Kritiker:innen dazu – oder auch: Wie ist es tatsächlich?

Was sich auf dem Blog von H&M schön anhört, stimmt in großen Teilen leider nicht mit der Realität überein.

Während diverse Modemagazine die Conscious-Kollektionen begeistert mit Artikeln wie „H&M Conscious Collection: 5 Fakten, die du über die Kollektion wissen solltest“[1] indirekt bewerben, gibt es enorme Kritik und berechtigte Zweifel an der „bewussten“ Linie von H&M. Denn ressourcenschonendere Baumwolle oder innovative Stoffe zu benutzen, ist zwar an sich eine gute Idee, auf dem Blog von H&M lässt sich jedoch kaum etwas über die anschließende Weiterverarbeitung dieser Stoffe herausfinden. Eine nachhaltige Kollektion sollte so fair wie möglich produziert werden. Aber über die Arbeitsbedingungen in den Fabriken oder über die Chemikalien, die für die Verarbeitung der Materialien (wie z.B. Weichmacher oder Bleichmittel) genutzt werden, gibt es nur wenig Informationen. H&M lässt damit in ihrer grünen Kampagne einige Fragen offen und steht durch neue Enthüllungen, wie z.B. in einer großen Studie zur Nachhaltigkeit großer Modemarken, die im Sommer 2021 von der Changing Markets Foundation veröffentlicht wurde, immer wieder in der Kritik[2].

Das Conscious-Siegel von H&M ist kein anerkanntes Textilsiegel und richtet sich demnach nur nach den eigenen Richtlinien der Firma. Es ist daher schwierig, tatsächlich nachzuweisen, inwiefern die Produkte nachhaltig und fair produziert sind, und wie ressourcenschonend die verwendeten Rohstoffe tatsächlich sind.

Außerdem kommen immer wieder Vorwürfe von Kinderarbeit oder schlechten Arbeitsbedingungen bei H&M auf. Und das nicht nur in den Produktionsländern zu denen China, Indonesien und Indien gehören und beispielsweise erschreckende Fälle von Gewalt an Textilarbeiterinnen ans Tageslicht gekommen sind[3], sondern auch direkt in den Stores in Europa und Deutschland. Hier klagen viele Mitarbeiter:innen über unfaire Anstellungsverhältnisse, Flex-Verträge oder interne Probleme mit Rassismus und Mobbing. Und zu Beginn letzten Jahres wurde bekannt, dass H&M junge Mütter entlassen wollte, weil sie weniger flexibel mit ihren Arbeitszeiten sind.[4]

Was bedeutet das nun für Verbraucher:innen?

Schlussendlich lässt sich zusammenfassen, dass die Conscious-Kollektion von H&M ein kleiner Schritt in eine bessere Richtung ist. Es bedeutet allerdings nicht, dass du die Welt rettest, wenn du dir Teile der Kollektion einkaufst, da es sich nicht um fair produzierte Kleidung handelt. Außerdem gibt es einige Schwachstellen im Nachhaltigkeits- und Firmenkonzept von H&M, weil z.B. die „Material Ethics Policy“ ausbaufähig ist, die H&M Conscious kein anerkanntes Textilsiegel trägt und die Arbeitsbedingungen immer wieder öffentlich in der Kritik stehen. Statt die eigenen Kaufgewohnheiten also unbeeindruckt fortzusetzen und die Gewissensbisse mit grünen Labels von Fast Fashion Marken zu beruhigen, ist der bessere Schritt folglich, sich über Alternativen zu informieren.

Hier findest du eine Erklärung der verschiedenen Textillabels und was sie bedeuten: (Link noch ausstehend)

Und in diesem Beitrag stellen wir dir Einkaufsmöglichkeiten für faire Modelabels vor: (Link noch ausstehend).

Wie stehst du zu den grünen Kollektionen von H&M und Co.? Nur Greenwashing oder ein berechtigter Anfang zu einer Verbesserung? Teile uns Deine Meinung gerne in den Kommentaren mit!

Quellen:

[1] https://www.instyle.de/fashion/5-gruende-warum-wir-die-hm-conscious-kollektionen-lieben

[2] http://changingmarkets.org/wp-content/uploads/2021/07/SyntheticsAnonymous_FinalWeb.pdf

[3] https://femnet.de/fuer-frauenrechte/kampagnen/gegen-gewalt-bekleidungsindustrie/nachrichten-gegengewalt/1748-ermordung-einer-arbeiterin-wirft-erneut-ein-licht-auf-strukturelle-gewalt-in-den-fabriken-indiens.html

[4]  https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2021-01/hennes-mauritz-stellenabbau-muetter-elternzeit-deutschland