Tübinger Stadtschokolade made in Ecuador

Raquel Cayapa

Woher kommt die Tübinger Stadtschokolade?

Im Jahr 2005 hat sich die Kallari Kooperative für den Schritt entschieden, nicht nur den Rohstoff Kakao direkt mit den Abnehmern in den USA und Europa zu handeln, sondern Schokolade selbst herzustellen. Ein Schritt, den bis dahin keine Kleinbauerngenossenschaft gemacht hatte. Somit ist die Kallari Kooperative eine der Pioniere in der Herstellung der Edel Dunkle Single Origin Schokolade* in Ecuador und ein Beispiel für andere Kleinbauerngenossenschaften.

Die Kallari Kooperative, die 1997 gegründet wurde, vermarktet ihre Schokolade mittlerweile unter eigener Marke in Europa und den USA. In Deutschland wird die Schokolade von der Kallari Futuro GmbH vermarktet, die von Raquel Cayapa 2012 gegründet wurde. Sie kennt die Kooperative schon aus der Zeit, in der sie noch in Ecuador lebte, da ihre Familie Mitglied der Kooperative ist und zum Teil vom Kakaoanbau lebt. Durch die eigene Herstellung der Schokolade und ihrer Vermarktung im Land selbst und im Ausland, ist das Einkommen der Familien, die den Kakao anbauen und ernten, gesichert und höher, als wenn sie nur die Rohstoffe verkaufen würden.

Traditioneller Anbau

Chakra-Waldgarten

Bei Kallari wird stets darauf geachtet und streng kontrolliert, dass der Kakao aus den Chakras, den sogenannten Waldgärten (eine Mischung aus Nutzbaumarten, Obstbäumen und Kulturpflanzen, die sowohl der Subsistenz der Familie als auch dem Weiterverkauf dienen.) kommt und nicht mit Pestiziden behandelt wird. Dadurch werden die Biodiversität des Amazonas und auch die Kultur der Kichwa-Familien, die im Einklang mit der Natur leben, gesichert.

Der Edelkakao der Sorte „Nacional“, der für die Herstellung der Schokoladen von Kallari verwendet wird, wird in solchen Chakras angebaut. Durch seine Umgebung entfaltet der Kakao im Wachstumsprozess ein mildes, zart-blumiges Aroma mit fruchtiger Note – so reift er zu einem der besten Edel-Aromakakaos der Welt.

Der Anbau von Kakao im System der Chakras garantiert den Kichwa-Familien einerseits Ernährungssicherheit und andererseits ein Einkommen, um ihre Bedürfnisse wie Gesundheit und Schulbildung für ihre Kinder zu finanzieren. Während der Ausgangssperre, die in Ecuador aufgrund der COVID-19 Pandemie eingeführt wurde, konnten die Familien keine Produkte verkaufen, aber die Pflanzen der Chakras versorgten sie zumindest mit Lebensmitteln.

Immer wieder Lieferengpässe

Immer wieder kommt es bei Kallari zu Produktionsverzögerungen und dadurch zu Lieferengpässen, da die Kallari Kooperative keine eigene Manufaktur hat. Deshalb muss der Kakao, der von den Kleinbäuer*innen an die Kallari Kooperative geliefert wird, zu einer Manufaktur in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, geliefert werden. Da die Produktionsmenge der Kooperative jedoch kleiner ist als die anderer Schokoladenhersteller, muss Kallari warten bis der Herstellungsprozess der Schokoladen anderer Marken, die in großen Mengen produzieren, vollendet ist. Dieses Phänomen hat sich in diesem Jahr aufgrund der COVID 19-Pandemie verstärkt, da die Manufaktur nur eingeschränkt arbeitet. 15 verschiedene Sorten in kleinen Mengen zu produzieren, ist für die Manufaktur nicht so rentabel wie eine Vollauslastung. Außerdem dauert die Produktion von 15 verschiedenen Sorten, die den Prozess vom Mahlen bis zum Conchieren durchlaufen, an sich etwas länger.

Kakaoanbau in Ecuador

Insgesamt beträgt der Kakaoanbau in Ecuador nur einen kleinen Anteil des Bruttoinlandsproduktes. Ecuador ist jedoch viertgrößtes Exportland für Kakao weltweit. Vor allem spielt der Anbau von Edelkakao eine wichtige Rolle, da Ecuador über die Hälfte des Edelkakaomarktes weltweit bedient. Das Land verfügt über die ältesten Kakaopflanzen der Welt und auch die teuersten Kakaofrüchte. Oftmals spüren die Kakaoproduzent*innen jedoch nichts von der Besonderheit und dem hohen Preis der Früchte, da der Hauptteil des Gewinns bei den Exporteuren bleibt. Bis die Kakaobohnen die Exporteure erreichen, werden sie zuvor an Unter- und Zwischenhändler*innen verkauft, wodurch der Erlös der Kleinbauern noch weiter sinkt. So haben die Kleinbäuer*innen, die 90 Prozent der Produzent*innen ausmachen, oft wenig Einfluss auf den Kakaopreis. Außerdem wird nur eine sehr beschränkte Anzahl an Krediten für Kleinbauernfamilien vergeben, welche jedoch notwendig sind, um in den Kakaoanbau zu investieren und die Qualität der Kakaobohnen zu verbessern oder aufrecht zu erhalten. Andere Probleme sind schlechte Infrastrukturen, wodurch der Weg zum nächsten Händler*in erschwert wird, und auch die geringe Vergabe von Landtiteln. Diese schützen vor Enteignungen durch Konzerne, die Bergbauminen oder Palmölplantagen auf den rechtmäßig gekauften Grundstücken der Kleinbäuer*innen planen. Zudem besteht die Gefahr, dass die ursprünglichen Kakaosorten Ecuadors, wie die „Nacional“, immer mehr verdrängt werden und durch minderwertige Hybridsamen, die weniger krankheitsanfällig sind, ersetzt werden. Dazu kommt, dass die Edelkakaosorten nicht in großen Mengen kultiviert werden. Somit müssen die Kleinbäuer*innen des hochwertigen Edelkakaos insbesondere auf die Qualität der Kakaobohnen achten, um einen angemessenen Preis für diese zu erzielen, um somit wettbewerbsfähig zu bleiben. Damit sich der hohe Aufwand jedoch lohnt, brauchen die Kleinbauernfamilien Anreize seitens des ecuadorianischen Staates und des Marktes.

Durch die Organisation in Kooperativen und den gemeinsamen geregelten Verkauf sind die Kleinbauernfamilien in einer besseren Verhandlungsposition und können die vielen Stufen der Handelskette überspringen. Dadurch können sie schlussendlich einen höheren Erlös für ihre Kakaobohnen erzielen. Die Edelkakaosorten „Cacao Nacional“, „Criollo“ und „Porzellana“, werden inzwischen von über 2000 Kleinbauer*innen an die Kallari Kooperative verkauft. Die garantierte Abnahme des nachhaltigen Kakaos durch die Kooperative und die faire Bezahlung sichern den Kleinbauer*innen ein regelmäßiges Einkommen und bieten ihnen eine Alternative zu Firmen, die Regenwaldgebiete aufkaufen wollen, um diese für Palmölplantagen abzuholzen. Außerdem verarbeitet die Kallari Kooperative den Kakao in Zusammenarbeit mit Manufakturen direkt zu Schokolade, wodurch abermals ein Mehrwert für die ecuadorianische Bevölkerung geschaffen wird.

Die Kooperatitve präsentiert ihre Schokolade auf einer Messe für Produkte aus dem Amazonasgebiet, in Ecuador.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Kallari Kooperative den Lebensunterhalt der Kleinbauernfamilien nicht nur sichert, sondern auch verbessert. Durch die Unterstützung des nachhaltigen Kakaoanbaus werden zudem deren Lebensraum und die Biodiversität des Amazonas aufrecht erhalten. Außerdem ist die Schokoladenherstellung vor Ort für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung der ecuadorianischen Bevölkerung ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Kooperative. Hierbei ist es Kallari wichtig, transparent zu sein, so dass die Wertschöpfungskette vollständig nachgewiesen werden kann. Dadurch können die Kunden der Kallari Schokolade erfahren, wie die Produzent*innen leben und arbeiten und woher die Kakaobohnen kommen. Dieses Vorzeigeprojekt wird mit Kallari Futuro nach Deutschland gebracht und wird hoffentlich als Wegbereiter für weitere Firmen weltweit agieren, denn „Kallari in Ecuador, wie auch Kallari Futuro ist eine Schule für uns alle. Wir lernen dadurch viel über die Marktmechanismen der Welt und werden nicht nur als arme indigene Kleinbauern (oder „Indianer“, wie viele uns nennen), die nur Rohstoffe liefern, angesehen“, wie eine Mitglied Kallaris aussagt.

*Single Origin bedeutet, dass der Kakao aus einem Gebiet kommt.

Alle Fotos von Raquel Cayapa.