Entwurf für ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – Bewertung durch die Initiative Lieferkettengesetz und das Forum Fairer Handel

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Am 3. März hat die Bundesregierung in ihrer Kabinettssitzung den Entwurf für ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten verabschiedet. Lange haben die federführenden Ministerien, das Ministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), für Arbeit und Soziales (BMAS) und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), um einen Kompromiss gerungen. Die Einigung auf einen Entwurf und die reelle Chance auf eine Verabschiedung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode bis September 2021 sind ein Erfolg. Diese Entwicklung markiert einen ganz konkreten Schritt in Richtung Verbindlichkeit bei der Sorgfaltspflicht von Unternehmen.

Zum Hintergrund: Für Unternehmen ist die wirtschaftliche Globalisierung ein Trumpf. Sie produzieren dort, wo die Standortfaktoren am günstigsten sind. Dazu gehört auch, dass die Arbeitskosten billig sind und die Umweltauflagen möglichst lasch oder nicht kontrolliert werden. Vor allem der Anfang der Lieferkette, da wo der Rohstoffanbau oder -abbau stattfindet, ist dadurch von schlechten Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und massiven Umweltzerstörungen geprägt. Unternehmen agieren weit verzweigt, aber schauen dabei nicht, welche Auswirkungen ihre Tätigkeiten haben können. Gemäß der unternehmerischen Sorgfaltspflicht, die als zweite Säule in den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte niedergelegt ist, müssen sie Sorge dafür tragen, dass durch ihre Tätigkeiten keine Menschenrechte verletzt werden und die Umwelt zerstört wird.

Der KiK-Fall zeigt sehr klar, inwieweit Unternehmen freiwillig dieser Sorgfaltspflicht nicht nachkommen. Vor acht Jahren, am 12. September 2012, brach in einer Kellerwerkstatt in Karachi, Pakistan, in der Kleidung für den deutschen Textildiscounter Kik hergestellt wurde, ein Feuer aus. 258 Menschen kamen dabei ums Leben. Die Zahl der Opfer war so hoch, da die Brandschutzvorschriften nur mangelhaft umgesetzt waren. KiK war jahrelanger Hauptabnehmer dieses Zulieferers und konnte doch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Der Gesetzentwurf ist wie gesagt ein Kompromiss. Vor allem mit Blick auf die bisher veröffentlichten Entwürfe – der im Februar 2019 geleakte Entwurf aus dem BMZ und das im März 2020 veröffentlichte Eckpunktepapier von BMZ und BMAS – sieht man, dass sich das Wirtschaftsministerium an den entscheidenden Punkten durchsetzen konnte.

Hier werden kurz die Kritikpunkte und die Forderungen aus der Stellungnahme der Initiative Lieferkettengesetz zum Gesetzentwurf zusammengefasst.

Geringe Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten:

Drohen in meiner Lieferkette Risiken für die Menschenrechte? Und kann ich etwas dagegen tun? Diese Fragen muss sich jedes Unternehmen im Rahmen einer Risikoanalyse stellen. Dabei muss es seine gesamte Lieferkette in den Blick nehmen. Das sagen nicht wir – das sagen die Vereinten Nationen! So haben sie es in ihren Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beschlossen und so will es auch die OECD.Initiative Lieferkettengesetz

Die Pflicht der Risikoanalyse gilt nicht für die gesamte Lieferkette eines Unternehmens, sondern nur für ihre direkten Zulieferer bzw. Partner. Darüber hinaus müssen Unternehmen nur aktiv werden, wenn sie Hinweise über Menschenrechtsrisiken erhalten. Die Initiative Lieferkettengesetz sagt: „Das widerspricht dem präventiven Kerngedanken der UN-Leitprinzipien und ist für uns inakzeptabel“. Sie fordert: „Die Sorgfaltspflichten von Unternehmen müssen daher in vollem Umfang für die gesamte Wertschöpfungskette gelten“.

Keine zivilrechtliche Haftung: Das bedeutet, dass Unternehmen nicht haftbar gemacht werden können für Menschenrechtsverletzungen auf Grundlage des Gesetzes. Für Betroffene bedeutet das, dass sie auf der Grundlage des Gesetzes keinen Schadensersatz einklagen können. Die Initiative fordert: „Zu den zentralen Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz gehört die zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für vorhersehbare und vermeidbare Schäden, die sie durch Missachtung der Sorgfaltspflichten mitverursacht haben. Das Gesetz müsste klarstellen, dass ein Verstoß gegen das Gesetz Grundlage für Schadensersatzklagen Betroffener vor deutschen Gerichten sein kann, sofern die übrigen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch erfüllt sind.

Behördliche Kontrolle und Durchsetzung: Mit dieser ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle beauftragt, dieses ist dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt, welches der entscheidende Gegner eines wirksamen Lieferkettengesetzes ist. Daher fordert die Initiative Lieferkettengesetz: „Hier gilt es sicherzustellen, dass die Behörde unabhängig agieren kann und ihrer Aufgabe uneingeschränkt nachkommen kann.“

Anwendungsbereich: das Gesetz wird in zwei Schritten Anwendung finden. Zunächst wird es ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten gelten – etwa 600 Unternehmen fallen darunter –, ab 2024 gilt es für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten – etwa 2891 Unternehmen fallen darunter. Kleinere Unternehmen, die in Risikosektoren tätig sind, werden nicht vom Gesetz erfasst. Die Initiative LKG fordert: „Eine Ausweitung des Geltungsbereichs auf alle Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden sowie auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Sektoren mit besonderen menschenrechtlichen Risiken.

Keine eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflicht: Nur Umweltschäden, die direkt oder kumulativ zu Menschenrechtsverletzungen führen, werden berücksichtigt. Die Initiative Lieferkettengesetz fordert: “Einführung eigenständiger umweltbezogener Sorgfaltspflichten.”

Ein Kritikpunkt, den das Forum Fairer Handel, die politische Stimme der Fair-Handels-Bewegung in Deutschland, fordert, ist, dass Einkaufspraktiken nicht ausreichend adressiert werden. Denn einkaufende Unternehmen nutzen ihre Einkaufsmacht, um Preisgestaltung, Lieferzeiten und Stornierungskonditionen zu ihren Gunsten auszurichten. Unfaire Einkaufspraktiken gehören zu den strukturellen Ursachen für Menschenrechtsverletzungen, da sie in vielen Fällen schlechte Arbeits- und Umweltstandards sowie Menschenrechtsverletzungen nach sich ziehen. Vor allem am Anfang der Lieferkette. Im Entwurf werden Einkaufspraktiken zwar als präventive Maßnahmen zur Vermeidung von menschenrechtlichen Risiken anerkannt, aber da die Sorgfaltspflichten nicht über den direkten Zulieferer hinausgehen, werden die betroffenen Produzierenden und ArbeiterInnen nicht erfasst.

Ein wirksames Lieferkettengesetz wird von einem breiten Spektrum gefordert: Auch Teile der CDU/CSU fordern es: so ist die CDU-Frauenunion dafür und es gibt einen relevanten CDU-Parteitagsbeschluss. Entwicklungsminister Müller (CSU) ist dafür. Arbeitsminister Heil (SPD) setzt sich dafür ein. SPD, Grüne, Linke, Gewerkschaften, Kirchen, viele weitere Organisationen und Unternehmen. Zuletzt gab es einen Aufruf von 70 ÖkonomInnen. 75% der Bevölkerung sind für ein wirksames Lieferkettengesetz. Dagegen steht das Wirtschaftsministerium und die Wirtschaftsverbände. Daran wird ziemlich deutlich, wie die Machtverhältnisse in Deutschland sind.

Das Gesetz ist einzuordnen in eine Reihe erster Schritte, die in Richtung eines menschenrechtsfreundlichen und umweltschützenden Geschäftsgebahrens gehen.

Es braucht ein deutsches Lieferkettengesetz. Kurz- und mittelfristig müssen entsprechende verbindliche Regelungen auf Ebene der EU und der Vereinten Nationen ausgeweitet werden.Anannya Bhattacharjee, Präsidentin der indischen Gewerkschaft Garment and Allied Workers Union.

Je mehr Unternehmen von der Sorgfaltspflicht erfasst sind, desto mehr wird es gelingen, gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, und desto größer ist der Einfluss auf Zulieferer. Ein weltweit gültiges Lieferkettengesetz könnte zu einem Katalysator für nachhaltige Entwicklungen werden. Da die Anreizstruktur umgekehrt ist, müssten Staaten nicht befürchten, Investoren zu verlieren oder dass Unternehmen ihre Produktion verlagern, sobald sie starke Umwelt- und Arbeitsgesetze einführen, ebenso wäre dies für Unternehmen ein Anreiz zu bleiben.

Ein Gesetz alleine hilft nicht, auch die Umsetzung muss staatlich unterstützt werden, das gilt für die Unternehmen hier und vor allem auch für die Regierungen und Menschen in den Produktionsländern. Sie müssen unterstützt werden bei der Umsetzung von Rahmenbedingungen, die menschenrechts- und umweltschutzkonformes Arbeiten ermöglichen. Je besser das Gesetz ausgestaltet ist, desto besser wird die Umsetzung gelingen.

Der Gesetzentwurf geht nun in die Lesungen im Bundestag, vor allem die Arbeit in den Ausschüssen wird von Bedeutung sein, und muss anschließend auch zwischen Bundesrat und Bundestag diskutiert werden. Die Initiative sieht nun die Bundestagsabgeordneten in der Pflicht, den Gesetzentwurf entscheidend zu verbessern. Gerade deswegen ist auch die Zivilgesellschaft jetzt nochmal gefragt.

Wir müssen uns also weiter einsetzen für ein wirksames Lieferkettengesetz. Nächste Woche stellen wir euch vor, was die Initiative Lieferkettengesetz und die baden-württembergische Regionalgruppe planen und wie ihr euch beteiligen könnt. Hier sei euch schon einmal die Ostereieraktion von Inkota ans Herz gelegt!

Wenn ihr mehr über die Entwicklungen zum Gesetzentwurf erfahren möchtet, schaut euch diesen Artikel auf unserem Blog an.

Das Lieferkettengesetz ist noch nicht fertig…

Quellen:

Wenn nicht anders vermerkt ist die Quelle im Abschnitt zu den Kritikpunkten und Forderungen der Stellungnahme der Initiative Lieferkettengesetz zum Gesetzentwurf entnommen.

Nicht im Text genannte Quellen:

Forum Fairer Handel (2020): Liefer- oder Vertragspartner-Gesetz? Stellungnahme des Forum Fairer Handel zur Einigung der Bundesregierung auf ein Lieferkettengesetz.

Wöchentliches Update aus dem Kampagnenbüro der Initiative Lieferkettengesetz, 9.2.2021.