Von Celine Lika
„Ich glaube, das ist etwas Gutes und zeigt, dass ein Kleidungsstück umweltschonend und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde.“ Soweit mein Halbwissen zu Textilsiegeln. Da hört es dann aber leider auch schon auf. Keine Ahnung, was genau diese kleinen Logos auf Kleidungsetiketten aussagen und was für Unterschiede es gibt. Gibt es überhaupt welche? Ich könnte auch kein einziges beim Namen nennen – Außer H&M Conscious zählt? Oh man, das ist mir jetzt schon ein bisschen peinlich. Also ran an den Laptop und sich schlau machen.
Erste Orientierung
Eine kurze Internetrecherche führt mich zur Broschüre „Textil-Siegel im Greenpeace-Check“. Schon in der Einleitung werde ich fündig. Dort wird kurz erklärt, was diese Siegel leisten. Sie informieren über „die Chemikalien, mit denen das Produkt auf seinem Weg vom Acker bis zum Laden in Berührung kam. Ob es unter fairen Bedingungen produziert wurde. Und ob es recycelt werden kann.“ Da lag ich mit meiner Ahnung also nicht daneben! Ich scrolle einmal durch die Broschüre und überfliege die Seiten. Es sind unglaublich viele verschiedene Textilsiegel abgebildet. Manche kommen mir auch tatsächlich bekannt vor. Aber wie soll ich da jemals durchblicken?
Ich muss wohl genauer nachlesen. Und tatsächlich, Greenpeace bietet eine Orientierungshilfe im Textilsiegel-Wirrwarr. Das Heftchen konzentriert sich nämlich auf die wichtigsten unabhängigen Siegel. Aber was bedeutet „unabhängig“? Ganz einfach: Eigenständige Organisationen, die nicht zu einem Textilunternehmen gehören, zertifizieren die Produktionskette der Kleidung unvoreingenommen. Auf der anderen Seite gibt es firmeneigene Öko-Siegel, die einen Teil der Kollektion eines Unternehmens auszeichnen. Achso, hier passt also H&M Conscious ins Bild! Unabhängige Textilsiegel sind allerdings vertrauenswürdiger, da sie meistens strenger und durchschaubarer sind. So muss ein Kleidungsstück für den grünen Conscious-Anhänger nur zur Hälfte aus „nachhaltigen Materialien“ wie Bio-Baumwolle oder recyceltem Polyester bestehen.
Nicht alles ist gleich „grün“
Greenpeace stellt die wichtigsten unabhängigen Siegel nicht nur vor, sondern bewertet diese auch. Hä, warum denn bewerten? Sind denn nicht alle gut? Das wird mir beim Stöbern in der Broschüre schnell klar. Nicht alle unabhängigen Textsiegel kontrollieren gleich umfassend oder streng. Für den Global Organic Textile Standard (GOTS) zum Beispiel muss Kleidung zum Großteil aus Bio-Naturfasern bestehen. Zudem muss sie unter fairen Arbeitsbedingungen und ohne den Einsatz bestimmter Chemikalien produziert werden. Dementsprechend gibt Greenpeace dem Siegel die Bestnote drei Sterne. Es ist fast nur bei Eco-Fashion-Marken zu finden. Dagegen ist der Oeko-Tex Standard 100 weit verbreitet. Er prüft allerdings nur, ob im fertigen Kleidungsstück noch Schadstoffe vorhanden sind. Ökologische oder soziale Kriterien für die Produktion? Fehlanzeige. Daher vergibt Greenpeace nur einen Stern.
Auf Textilsiegel-Jagd
Solchermaßen informiert, werde ich direkt neugierig, welche Textilsiegel sich in meinen Klamotten finden. Also auf an den Kleiderschrank! T-Shirts, Jeans, Kleider, Pullis – Ich falte ein Teil nach dem anderen auseinander und schaue mir die Etiketten an, die am Nacken oder an der Seite eingenäht sind. Hier erfahre ich, bei welchem Unternehmen ich das Kleidungsstück gekauft habe, aus welchen Fasern es besteht, wie ich es waschen soll und wo es produziert wurde.
Die Herkunft meiner Kleidung entspricht meinem Studenten-Budget. So lese ich vor allem die Namen beliebter Ketten wie Mango, Pull & Bear, H&M, Monki, & Other Stories oder Zara. Ich stoße auch auf mir unbekannte Namen bei Teilen aus Second Hand Shops und ein paar Kleidungsstücke ohne Etikett, die meine Mutter selbst genäht hat.
Einige meiner Klamotten sind aus 100% Baumwolle, Seide oder Wolle. Trotzdem stelle ich leider fest, dass der Großteil aus Kunst- oder Mischfasern (ein Mix aus Natur- und Kunstfasern) besteht. Ich sage „leider“, denn laut Greenpeace verbraucht die Produktion von Synthetikfasern wie Polyester oder Polyacryl viel Energie und nicht erneuerbare Rohstoffe. Mischfasern lassen sich zudem nur schlecht recyceln. Damit liegt mein Kleiderschrank genau im Trend. Der Großteil unserer Kleidung wird nämlich aus Kunstfasern (oder Mischfasern mit hohem Kunstfaser-Anteil) hergestellt.
Traurige Bilanz
Trotz dieser Vielfalt an Unternehmen und Geweben werde ich bei meiner Suche nach Textilsiegeln ein ums andere Mal enttäuscht. Jede Menge Zettelchen mit der Aufschrift „Made in China“, „Made in Cambodia“ oder „Made in Taiwan”. Dafür keine Spur von Cradle to Cradle, Fair Wear Foundation (FWF) oder Blauer Engel.
Hoffnungsvoll blicke ich auf den einzigen verbleibenden Stapel: Sportkleidung. Schließlich ist laut Greenpeace das Bluesign-Siegel unter anderem bei Puma und Adidas zu finden. Doch schließlich falte ich auch das allerletzte Shirt wieder zusammen. Das traurige Ergebnis meiner Suche: In meinem Schrank befindet sich kein einziges Textilsiegel. Krass. Ich hatte zwar nicht erwartet, stolz einen Riesenhaufen zertifizierter Kleidung präsentieren zu können, aber doch zumindest ein einziges Teil!
Mir bleibt also nur die Hoffnung, dass an manchen Kleidungsstücken beim Kauf noch ein Etikett mit Textilsiegel dranhing, das ich dann abgemacht habe. Die Möglichkeit ist allerdings relativ unwahrscheinlich und trifft, wenn überhaupt, nur auf sehr wenige meiner Klamotten zu. Grund dafür sind die umweltbelastenden Kunstfasern sowie die Hersteller, auf die ich meistens gestoßen bin. Die zuvor erwähnten Ketten bieten nur selten oder gar keine zertifizierte Ware an.
Und was bedeutet das jetzt für mich?
Zuerst einmal bin ich froh, diesen Selbstversuch durchgeführt zu haben. Mir war nie klar, wie umweltbelastend ich Klamotten shoppe. Ich kaufe relativ selten Kleidung ein und übernehme abgelegte Teile von meiner Mutter und meiner Schwester. Außerdem werfe ich aussortierte Sachen nie in den Müll, sondern verschenke sie oder gebe sie in den Altkleidercontainer. Meine erfolglose Suche nach Textilsiegeln zeigt mir jedoch, dass der Inhalt meines Kleiderschranks verbesserungswürdig ist.
Wenn ich aber behaupten würde, ab jetzt ausschließlich Kleidungsstücke mit IVN Best-Siegel in spezialisierten Geschäften zu kaufen, wäre das nicht nur gelogen, sondern auch unrealistisch. Stattdessen möchte ich kleine Schritte in die richtige Richtung machen. So habe ich im Greenpeace-Heftchen gelesen, dass selbst Shops, bei denen ich sowieso einkaufe, Kleidungsstücke mit Öko-Textilsiegeln anbieten. Kann ich mich also mal wieder nicht für ein Kleid aus dem riesigen Angebot bei Peek & Cloppenburg entscheiden, halte ich einfach nach dem GOTS-Logo Ausschau. Außerdem bin ich sowieso immer auf der Suche nach coolen, bezahlbaren Marken. Es ist wirklich kein großer Aufwand, darauf zu achten, dass sie zusätzlich Textilsiegel führen. Schließlich hat mir meine Internet-Recherche wieder gezeigt, dass ich öfter auf meine Mutter hören sollte. Wie denn das? Sie rät mir beim Kleidungskauf immer von Synthetikfasern ab. Darin schwitzt man und es sieht schnell abgetragen und „verbobbelt“ aus. Naturfasern sind also nicht nur besser für die Umwelt, sondern auch für uns!
Falls es euch wie mir geht und ihr dringend einen Textilsiegel-Spickzettel braucht, schaut doch online bei Greenpeace oder der Verbraucherzentrale vorbei.