Rock und Top selber nähen ohne Nähmaschine – Ein Erfahrungsbericht

Von Leonie Keinert

Seit Corona habe ich so ein paar Dinge ausprobiert. Veganes Bananenbrot perfektioniert, Aquarellmalen angefangen, Zumba im Wohnzimmer mit meiner Mitbewohnerin getanzt – vielleicht kennt ihr es auch. Aber besonders eine Sache, die ich schon seit langer Zeit vor mir herschiebe, habe ich nun auch endlich angepackt: Ich habe aus einem alten Stoff ein Set aus Rock, Top und Scrunchie genäht und das ohne Nähmaschine, ohne große Näherfahrung und ich musste nur eine Sache dafür kaufen.

Den Stoff für dieses Experiment habe ich vor fast einem Jahr in einer Zu-verschenken-Kiste in Tübingen aufgesammelt und ich war sofort verliebt. Ich dachte mir schon damals, dass das Muster sich gut als Rock machen würde. Der Stoff misst genau einen Quadratmeter und muss wohl entweder eine Art Decke oder Schal gewesen sein, da er rundherum perfekte Nähte besitzt. Nadel, Faden und Stecknadeln konnte ich ohne Kosten von Freunden und Familie auftreiben. Also musste ich nur noch einen Reißverschluss für den Rock in einem Nähgeschäft kaufen. Nachdem ich alle Utensilien beisammenhatte, begann ich also mit dem Nähen des Rockes.

Entgegen aller logischen Überlegungen entschloss ich mich, kein bereits angefertigtes Schnittmuster zu benutzen, auch weil ich keinen Drucker zuhause habe. Alternativ entschied ich mich dafür, mein eigenes Schnittmuster anhand eines Rockes anzufertigen, der mir selbst sehr gut passt. Außerdem wollte ich komplizierte Schnittmuster wegen meiner fehlenden Näherfahrung und der Tatsache, dass ich keine Nähmaschine besitze, vermeiden. Also legte ich den besagten Rock auf eine Zeitungsseite und zeichnete die Umrisse nach, mit jeweils einem Zentimeter extra für die Naht. Danach pinnte ich das ausgeschnittene Muster auf den Stoff, um ihn auszuschneiden.

Nachdem ich den Stoff ausgeschnitten hatte, pinnte ich die zwei identischen Teile an den Seiten aneinander, wo ich zuerst die Naht nähen wollte. Da ich nun keine Nähmaschine besitze, malte ich an der Innenseite mit Stift und Lineal eine gerade Linie, damit ich mich beim Nähen daran halten konnte.

Als ich die beiden Teile auf der einen Seite zusammengenäht hatte, zog ich probeweise den Rock an und pinnte die andere Seite mit den Stecknadeln zusammen, wie der Rock am besten an mir sitzen würde.

Dabei merkte ich auch schon meinen ersten Fehler: Der Stoff, aus dem der Rock, der als Vorbild diente, war, war viel dicker als mein blau-orange-karierter Stoff. Das hatte zur Folge, dass mein angefertigtes Schnittmuster viel zu breit war und der Rock nicht gut saß. Also pinnte ich die eine Seite neu und verbesserte zudem die Naht an der bereits genähten Seite, damit diese enger wurde.

Nachdem ich nun die beiden Seiten genäht hatte, entschied ich mich als nächstes, den Reißverschluss einzunähen, damit ich den Rock wieder zur Probe anziehen konnte. Ich markierte anhand des Reißverschlusses, wo er liegen sollte und wie viel ich in den Stoff einschneiden musste. Durch ein YouTube-Tutorial eignete ich mir an, wie ich ihn am besten einnähen sollte. Ich schnitt einen Schlitz in der Länge des Reißverschlusses.

Dann klappte ich beide Seiten um und vernähte sie. Dort konnte ich nun den Reißverschluss verlegen, indem ich ihn an den Stoff pinnte und anschließend annähte.

Nun musste ich nur noch den Stoff jeweils unten und oben umklappen und anschließend vernähen. Und damit war der Rock fertig!

Ehrlich gesagt war ich danach auch ziemlich geschafft (aber trotzdem stolz), da ich zwei ganze Nachmittage nur an dem Rock saß. Daher brauchte es eine ganze Woche, bevor ich mich überhaupt an die Planung des Tops setzte.

Ich entschloss mich, das Top auch an einem ähnlichen Kleidungsstück zu orientieren. Ich wählte ein Top dessen Rückenausschnitt (!) mir so gut gefiel, dass ich ihn als Ausschnitt vorne verwenden wollte. Also legte ich das Top abermals auf Zeitungspapier und zeichnete die Umrisse nach. Für das tatsächliche Rückenteil entschloss ich mich, das vordere Teil zu spiegeln, allerdings ohne den trapezförmigen Teil.

Ich achtete darauf, so wenig Stoff wie möglich zu verwenden, damit ich im Notfall immer noch welchen auf Reserve haben würde.

Nachdem ich den Stoff ausgeschnitten hatte, fing ich wieder selbstbewusst an, die zwei Teile an den Seiten zusammenzunähen. Daraufhin musste ich ein weiteres Mal feststellen, dass das mit dem eigens erstellten Schnittmuster nicht so funktioniert. Diesmal lag es nicht an der Dicke des Stoffes vom „Vorbild“. Das Top, welches ich als Vorlage verwendet hatte, bestand aus einem sehr dehnbaren Stoff. Der Stoff, den ich verwendete, war hingegen unelastisch. Als Resultat war es mir völlig unmöglich, das Top anzuziehen. Zugegeben habe ich mich ziemlich darüber geärgert, da ich das hätte einfach vermeiden können, hätte ich etwas mehr nachgedacht.

Also überlegte ich, wie ich dieses Problem lösen könnte, ohne das Projekt völlig aufgeben zu müssen. Ich könnte an der Seite einen Reißverschluss einnähen, einen Verschluss mit Knöpfen oder einen Schnürverschluss kreieren. Allerdings fehlten mir dazu die Materialien und das Wissen. Glücklicherweise fand ich noch ein paar Stoffreste von einer schwarzen Jeans mit sehr dehnbarem Material. Ich hatte nämlich vor einiger Zeit eine alte Jeans in einen Rock umgewandelt.

Also schnitt ich nun großzügig einen Teil aus meinem zukünftigen Top aus und ersetzte es durch ein Teil des Jeansstoffes.

Nach dieser Operation ließ sich das Top nun, wenn auch immer noch mit etwas Mühe, anziehen. Letztendlich entpuppte sich dieses Missgeschick auch als kleiner Segen, da ich das schwarze Teil als einen ziemlichen coolen Akzent im Design empfinde!

Nun musste ich also nur noch die Nähte ordentlich vernähen.

Zu guter Letzt noch die Träger: Ursprünglich wollte ich breite Träger an das Top annähen, doch durch die Problematik des Anziehens entschloss ich mich für eine Variante von Trägern, die mir beim Anziehen nicht in die Quere kommen. Ich schnitt also etwas von den bereits dagewesenen Nähten des Stoffes weg und nähte sie als Schnürträger an mein neues Top. Und somit war auch das Top fertig!

Da ich nun immer noch Stoff übrighatte, entschied ich mich noch, passend einen Scrunchie zu nähen. Ein Scrunchie ist ein Haargummi mit breiten Stoffband – vielleicht kennt ihr sie noch aus den 90ern, besonders Modelle aus Samt waren damals sehr beliebt. Für das Scrunchie schnitt ich einen langen Streifen aus, welchen ich in der Mitte faltete und zu einem Schlauch zusammennähte.

Dann drehte ich den Schlauch um, damit die Naht innen war, und führte mit zwei Sicherheitsnadeln ein Gummiband hindurch.

Das Gummiband nähte ich dann an den Enden zusammen.

 

Die beiden Enden des Stoffschlauches nähte ich anschließend mit einem „unsichtbaren“ Stichmuster zusammen und so war nun auch mein Scrunchie fertig genäht.

Insgesamt bin ich doch ziemlich stolz, was ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln geschafft habe. Klar, kein Teil, das ich genäht habe, ist perfekt geworden. Am wichtigsten ist mir aber, dass ich dieses Experiment gewagt habe. Da für mich nur Mode aus zweiter Hand oder faire Modelabels in Frage kommen, hoffe ich, als Alternative nun öfters meine eigenen Klamotten nähen zu können!

Hier ist das Ergebnis:

Fotos: Leonie Keinert