Schwarze Quadrate auf Instagram – Wie Fast Fashion-Brands die Black Lives Matter-Bewegung ausbeuten

von Leonie Keinert

Die Fast Fashion-Industrie ist auf die Ausbeutung von People of Colour angewiesen. Kein Wunder, dass sich dabei Rassismus und Diskriminierung durch alle ihre Strukturen ziehen. Gerade vor dem Hintergrund der Black-Lives-Matter-Bewegung, die Ende Mai ein starkes Wiederaufkommen erlebte, wird die Scheinheiligkeit der Fast Fashion-Maren hervorgehoben. Am #blackouttuesday nutzten viele Unternehmen die Chance, durch ein einfaches Posting eines schwarzen Quadrats – aus ihrer Sicht – ihren Teil zu der Bewegung beizutragen. Viele Kommentare unter den Posts wiesen auf die Scheinheiligkeit dieser Handlungen hin. Wie kann es sein, dass diese Marken Ungerechtigkeit verurteilen, aber ihr gesamtes Geschäftsmodell darauf aufgebaut ist? So ist diese Solidarisierung bloß eine Möglichkeit der Selbstdarstellung, wenn die Marken nicht tatsächlich Anstrengungen unternehmen, Rassismus in ihren eigenen Reihen aktiv zu bekämpfen.

Ähnlich wie „sustainability“ wurde „diversity“ in den letzten Jahren zu einem leeren Schlagwort. Marken ließen sich dafür feiern, wenn ihre Werbekampagne oder ihr Laufsteg voll Models of Colour war. Tatsächlich zeigt der Diversity-Report von The Fashion Spot durch eine Analyse der Models auf den Laufstegen der Fashion Weeks in New York, Paris, Mailand und London, dass sich seit 2015 die Vielfalt auf den Runways deutlich verbessert hat. Noch im Frühjahr 2015 waren nur 17% der Models nicht-weiß, während im Herbst 2019 38,8% Models of Colour waren. 

Allerdings ist dieser Fortschritt nur ein kleiner Teil des Bildes. Klar, dass sich Marken bei immer wachsendem Bewusstsein für Diskriminierung in der Modebranche durch diverse Werbekampagnen und Laufstege gut darstellen wollen. Meist sind diese Marken in ihren restlichen Praktiken aber gar nicht so divers, wie sie scheinen lassen.

Models of Colour berichten oft, dass es an Sets an Makeup in dunklen Farbtönen mangelt oder die Haarstylist*innen sich mit dem Styling ihrer Haare nicht auskennen. So müssten Schwarze Models deshalb oft ihre Haare selbst stylen, ohne dafür bezahlt zu werden. Schaut man weiter, fällt außerdem auf, dass in den letzten Jahren weniger als 10% der Designer*innen der doch eigentlich so divers auftretenden New York Fashion Week Schwarz waren. Zudem zählt die einflussreichste Handelsorganisation der Modewelt, die Council of Fashion Designers of America (CFDA), 500 geladene Mitglieder*innen – von denen weniger als 4% Schwarz sind. Deswegen waren die Schlagzeilen, dass Louis Vuitton mit Virgil Abloh ihren ersten Schwarzen Creative Director ernannten, so groß. Auch die britische Vogue ernannte erst vor Kurzem ihren ersten Schwarzen Chefredakteur, Edward Enniful. Tyler Mitchell war der erste Schwarze Titelfotograf für die Vogue, nachdem Beyoncé auf die Zusammenarbeit bestand.

Dass es nur wenige solche Beispiele gibt, zeigt eindrucksvoll, dass die Inklusion von People of Colour in allen Positionen der Modeindustrie noch überhaupt nicht gegeben ist. Eine weißer Fotograf oder ein weißer Chefredakteur ist die Normalität; ein Schwarzer Fotograf oder Chefredakteur ist eine Errungenschaft. Wie es mit der Inklusion von People of Colour innerhalb der Fast Fashion-Unternehmen steht, wo die Konsumierenden es nicht sehen können, ist auch unklar. Meist wird davon ausgegangen, dass sie ziemlich homogen zusammengesetzt sind. Valerie Emanuel, eine schwarze Modelrechtsaktivistin, appelliert deswegen an Modeunternehmen:

„Next time you hire [someone], consider using someone outside of your usual network. […] Having a diverse team fills gaps in your business”.

Doch das ist bei Weitem nicht das einzige Problem des Rassismus in der Modeindustrie. Besonders Fast Fashion-, aber auch High Fashion-Marken, machen oft von kultureller Aneignung Gebrauch. Sie lassen also überwiegend weiße Models mit Dreadlocks oder Cornrows über ihre Catwalks laufen. Währenddessen werden Schwarze Menschen für diese Haarstyles von Bewerbungsgesprächen ausgeladen und als unprofessionell angesehen. Die Kommerzialisierung der Kultur von nicht-weißen Menschen durch weiße Menschen ist mindestens fragwürdig. In jedem Fall ist sie aber problematisch, wenn dadurch Vorurteile gegen PoC verherrlicht werden. Dabei ist egal, ob diese Entscheidungen mit Intention geschahen oder nicht – die Wirkung bleibt die Gleiche. Außerdem ist zweifelhaft, ob Mitarbeiter*innen, die gut in Anti-Diskriminierung und Kolonialgeschichte geschult wurden, oder auch Mitarbeiter*innen of Colour genau die gleichen Entscheidungen beschlossen hätten.

Doch leider sind alle diese Probleme nicht nur exklusiv bei Luxusmarken und Fast Fashion-Unternehmen zu finden. Das faire und hippe Modelabel Reformation wurde vor Kurzem auch für ihre diskriminierenden Praktiken kritisiert. Elle Santiago, ehemalige stellvertretende Filialleiterin des Reformation-Flagship-Stores in Los Angeles, schilderte auf Instagram, wie sie ihre Zeit bei dem Fair Fashion-Label wahrnahm. Sie erzählte unter anderem, dass sie mehrfach zusehen musste, wie weiße Frauen mit weniger Qualifikationen in Positionen über ihr eingestellt wurden, während sie selbst vergeblich auf eine Beförderung wartete. Besonders kritisierte sie die Reformation-Gründerin und damalige Vorsitzende Yael Aflalo. Santiago beschrieb, dass Aflalo sie absichtlich ignoriere, wenn Santiago sie namentlich ansprach. Anlass für Santiagos öffentliche Kritik war der Instagram-Post von Reformation bezüglich der Black-Lives-Matter-Proteste. Sie und viele andere kritisierten die Marke für diese Solidarisierung, da das Unternehmen selbst noch diskriminierende Strukturen aufwiese. Tage später kündigte Aflalo ihren Rücktritt als Vorsitzende der Marke an. Reformation gestand Fehler ein und versprach, sich in Zukunft zu verbessern.

Ob dies Erfolg zeigen wird, ist abzuwarten. Aber klar ist, dass nicht nur einzelne Modelabels, Fast Fashion und High Fashion, Einsatz gegen Rassismus und Diskriminierung zeigen müssen. Die ganze Modeindustrie muss sich aktiv auf all ihren Ebenen anti-rassistisch umgestalten. Das fängt mit der fairen Bezahlung von überwiegend Frauen of Colour in Bangladesh an und hört noch lange nicht mit der Chancengleichheit von Schwarzen Mitarbeiter*innen in Los Angeles auf.

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