Upcycling – Wie man ein Hemd zur Hose näht

Nathalie Waldenspuhl

Es war einer dieser faulen Tage, an denen man zwar viel vorhat, aber irgendwie nichts zustande bringt. Ihr kennt das sicherlich auch. Ich verbrachte meine Zeit auf der hiesigen Videoplattform YouTube und klickte mich durch diverse Videos. Letztendlich leitete mich der Algorithmus auf sämtliche Do-it-yourself-, Näh- und Upcycling-Videos – und das, obwohl ich doch gar nicht nähen kann! Dabei bin ich auf ein Video gestoßen, das mich stutzig gemacht hat: Es zeigt in nicht einmal zwei Minuten, wie man ein Hemd in Übergröße zu einer Wickelhose umwandeln kann. Ich konnte mir nicht vorstellen, ob und wie das funktioniert. Meine Neugierde war letztendlich so groß, dass ich meine Scheu vor dem Nähen verlor und mich an einem schönen Samstag bei meinen Eltern an die Nähmaschine meiner Mutter setzte. Ob das Ganze klappen wird? Keine Ahnung! (Hier findet ihr das Tutorial.)

Mein Erfahrungsbericht soll euch Schritt für Schritt mitnehmen. Wie wird ein Hemd zu einer Hose? Wie näht man überhaupt? Und kann sich auch eine absolute Näh-Niete an so ein Projekt wagen?

Weil ich doch nicht so ganz unvorbereitet anfangen wollte, ein Hemd zu verunstalten, habe ich mir vorher dieses Basic-Video über das Nähen an einer Nähmaschine angeschaut.

Ran an den Stoff!

Als Ausgangsstoff muss ein altes Hemd meines Bruders herhalten. Es besteht zu 100% aus Baumwolle, die zu einem dünnen Cordstoff verarbeitet wurde. Ich habe darauf geachtet, dass das Hemd mir etwas zu groß ist. Der Saum reicht mir knapp bis über die Oberschenkel und die Ärmel sind mir auch etwas zu lang.

   

Schnipp, schnapp, Ärmel ab…

Jetzt geht es an das Ausschneiden der Teile, die dann zu einer Hose gelegt und anschließend zusammengenäht werden. Zunächst einmal sollte man aber die betreffenden Stellen markieren. So wird es auch im Video gezeigt. Dieses läuft allerdings ziemlich zügig ab und es ist gar nicht so einfach, jeden Schritt nachzuvollziehen. Also stelle ich die Video-Geschwindigkeit auf die Hälfte herunter. Trotzdem bleibt es mir nicht erspart, das Video zig Mal zurückzuspulen und zu pausieren. Schließlich will man es ja richtig machen. Zum Markieren der Linien habe ich eine Tafelkreide benutzt.

Am Ende schneide ich mit einer Stoffschere die Linien nach und habe sogleich einen Haufen Stofffetzen vor mir liegen. Wichtig: Vor dem Schneiden sollte die Knopfleiste geschlossen werden. Wir brauchen den Mittelteil nämlich als Ganzes!

Meine Stoffteile versuche ich dann zu einer Hose (oder wenigstens einem hosenähnlichen Gebilde) zurechtzulegen. Das untere Hemdteil kommt nach oben und wird somit zum Wickelteil an der Hüfte (Teil 1). Das Mittelteil behält seinen Platz in der Mitte, allerdings wird es so gedreht, dass die Knopfleiste zur Seite wandert (Teil 2). Das kurioseste Detail: Die ehemaligen Ärmel sollen zu Hosenbeinen umfunktioniert werden (Teil 3)! Na, ob das was wird?

An die Nähmaschine!

Jetzt kommt der Teil, vor dem ich tatsächlich am meisten Respekt habe: Die Nähmaschine. Beim Einfädeln lasse ich mir von meiner Mama helfen. Wichtig ist, dass man einen Ober- und einen Untergarn hat. Wie genau das funktioniert, könnt ihr aber auch im oben verlinkten Nähtutorial noch mal nachschauen.

Als erstes müssen die einzelnen Stoffteile versäubert werden. Das heißt, man näht mit einem Zick-Zack-Stich einmal entlang der Kanten, die abgeschnitten wurden. Der Vorgang soll verhindern, dass die Teile durch das Aufschneiden ausfransen.

Erst die Vorarbeit, …

Jetzt nehme ich mir erst einmal den Mittelteil (also Teil 2) vor. Das ist der Teil, an dem später die Hosenbeine ansetzen sollen. Bevor diese aber angenäht werden können, muss erst der Schritt zugenäht werden. Dafür lege ich das Stück exakt Naht auf Naht und stecke dann den „unteren Bogen“ mit Stecknadeln ab.

   

Das Ganze nähe ich dann mit einem sogenannten Geradstich zusammen. Damit der Schritt schlussendlich auch hält, mache ich am Anfang einige Stiche vorwärts, dann nochmal rückwärts über die gleiche Stelle und dann erst nähe ich entlang der Naht. Am Ende des Teils mache ich nochmal das Gleiche.

… dann das Zusammenflicken

Jetzt also kann ich die Teile endlich zusammennähen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Wie funktioniert sowas denn überhaupt? Im Nähtutorial erfahre ich, dass man Stoffe für gewöhnlich rechts auf rechts zusammennäht. „Also die schöne Seite auf der schönen“, wie es im Video heißt.

Also gut! Ich greife beherzt zum künftigen Bund (Teil 1) und lege die „schöne“ Seite auf die „schöne“ des Mittelteils (Teil 2). Mir wird gleich klar, dass man hier in zwei Abschnitten vorgehen muss, da meine beiden Teile eine Schlauchform haben. Also lege ich erst die jeweils äußeren Seiten rechts aufeinander. Jetzt liegt die linke Seite von Teil 1 oben. Mit Stecknadeln pinne ich die beiden Teile aneinander. Dabei achte ich wieder darauf, dass die Nähte beider Teile genau aufeinanderliegen. So bekommt die Hose einen einheitlichen Schnitt. Dann nähe ich das Abgesteckte zusammen. Dabei achte ich wieder darauf, die Naht möglichst weit außen zu setzen.

   

Als ich nun aber meinen Stoffknäuel aus der Nähmaschine ziehe, brauche ich eine Weile, bis ich alles wieder entwirrt habe. Ganz schön anstrengend, wenn man so eine halbfertige Hose zusammenstecken muss. Als die Stoffe wieder an ihrem Platz liegen, stecke ich alles, was noch „herumlottert“, ab, um nicht nochmal so eine Unordnung zu erhalten. Dann nähe ich die andere Seite des Bundes an. Am Ende habe ich endlich ein Stück vorliegen, das wirklich an eine Hose erinnert:

Ich bin erstaunt, wie gut mein erstes richtiges Nähprojekt bisher verläuft! Es fehlen nur noch die Hosenbeine und dann ist mein erstes Werkstück (hoffentlich) fertig!

Ich nehme also die ehemaligen Hemdärmel zur Hand. Da die Hose mit den Beinen jetzt doch ganz schön lang wird und ich keine Lust habe, den ganzen Stoff durch die Nähmaschine zu schieben, überlege ich mir etwas besonders Innovatives: Ich schiebe einen ehemaligen Ärmel in die Hose, sodass er an der „Beinöffnung“ von Teil 2 wieder herauskommt. Dann lege ich die Naht des Ärmels und die Naht der Öffnung möglichst genau aufeinander und stecke es ab.

Wenn ich an dieser Naht entlang nähe, so die Überlegung, kann ich den restlichen Ärmel durchziehen und habe dann platzsparend ein ganzes Hosenbein angenäht. In der Theorie hat sich das alles auch ganz gut angehört.

Nur leider war die Überlegung mir dann wohl doch etwas zu kompliziert. Obwohl ich fünf Minuten lang darüber gebrütet habe, ob ich den Ärmel auf rechts oder auf links drehen muss, habe ich ihn am Ende doch falschherum angenäht. Merke: Wer sein Hosenbein so annähen will, muss es auf rechts in die Hose legen. Dann kann man es nach dem Nähen durchziehen und es kommt auf links gedreht heraus – so wie der Rest der Hose. Nach dieser Feststellung heißt es für mich erst mal: auftrennen und neu annähen! So sieht es dann also richtig aus:

Das Gleiche mache ich jetzt noch auf der anderen Seite. Und fertig ist meine Hose!

Ich bin begeistert und gleichzeitig überrascht! In etwa fünf Stunden habe ich es wirklich geschafft, ein Hemd zu einer Hose zu verwandeln! Ein bisschen stolz bin ich schon auf mich!

Verfeinerungen

Aber leider hält die Euphorie nicht sehr lange: Als ich die Hose anprobiere, merke ich, dass der Bund doppelt so breit wie meine Hüfte ist. Zwar heißt es im ursprünglichen Tutorial, dass am Ende eine Wickelhose herauskommt und diese muss ja extra weit sein, damit man sie zusammenbinden kann. Aber mir ist leider unbegreiflich, wie oder wo ich diese Hose wickeln soll. Sie ist an beiden Seiten einfach nur weit.

Aber so schnell will ich mein Baby nicht aufgeben! Ich setze mich gleich wieder an die Nähmaschine und versuche, die Hose irgendwie enger zu nähen.

Indem ich links und rechts die Seiten einschlage, versuche ich, einen hüftbetonten Schnitt herbeizuzaubern. Hierfür muss leider meine Knopfleiste, die an der rechten Seite des Beins entlanggeht, weichen. Ich trenne alle Knöpfe ab und nähe die Naht zusammen. Ein ganz schöner Kraftakt! Durch das Zunähen, Umschlagen und Nochmal-Nähen wird mein Stoff ziemlich dick – zu dick für meine Nähmaschine. Mit viel Geduld und nachdem ich zwei Nadeln abgebrochen habe, schaffe ich es aber letztendlich!

Das Resultat

Wie ihr auf den Tragebildern seht, sitzt die Hose nicht perfekt: Durch das Verengen (das ich aber auch in kompletter Eigenregie durchgeführt habe) wurde der Bund leider etwas schief und auf der Seite, auf der ich die Knopfleiste zugenäht habe, ist das Hosenbein etwas zu eng geworden.

   

Fazit

Trotzdem bin ich nach wie vor begeistert von dem, was ich an einem Tag zustande gebracht habe: Ich habe mir ein eigenes Kleidungsstück genäht und das ohne Erfahrung! Trotz unzähliger Stiche in den Finger hatte ich sehr viel Spaß. Ich werde auf jeden Fall noch ein paar Nähprojekte wagen. Schließlich gilt: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!
Habt ihr Respekt vor der Nähmaschine, kann ich euch nur eines raten: Probiert es aus. Ihr werdet erstaunt sein, was man aus Stoff, Nadel und Faden alles zaubern kann!

Fotos: Nathalie Waldenspuhl