Fair Fashion Produktion auf der schwäbischen Alb? – Meine Erfahrungen mit einem gescheiterten Interview

von Nathalie Waldenspuhl

Eigentlich sollte das hier ein Artikel werden, der über die Entstehung von Fairer Mode informiert, der den Lesenden einen Gegenentwurf zu den widrigen Produktionsbedingungen in fernen Ländern zeigt. Stattdessen ist es ein Erfahrungsbericht geworden, darüber, warum er all dies nicht ist.

Ich muss ehrlich gestehen: Vom Konzept der Fair Fashion hatte ich bis vor ein paar Monaten im Grunde noch keine Ahnung. Als die Uni ein Projektseminar anbot, in dem man zusammen mit dem lokalen Bündnis “FAIRstrickt” einen ganzen Blog über dieses Thema zusammenstellen wollte, war ich trotzdem dabei. Warum? Die Kontroversen über fair produzierte Kleidung sind auch mir nicht entgangen und ich wollte dazulernen: Was ist faire Mode überhaupt? Wie sieht sie aus? Wo kann man sie kaufen? (Falls auch ihr euch das fragt, kann ich euch Kims Artikel empfehlen, sie nimmt den Begriff nochmal genauer unter die Lupe.)

Schnell hatte ich mich in das Thema reingefuchst und konnte viele meiner Fragen nach der ersten Seminarsitzung beantworten. Aber nur theoretisches Wissen reicht nicht immer aus – ich wünschte mir ein konkretes Beispiel, eine Veranschaulichung. „Wie sieht die Produktion von Fair Fashion denn konkret aus?“ Diese Frage bewegte mich zu einer Idee: Ich wollte einen Artikel über die regionale Textilindustrie auf der schwäbischen Alb verfassen.

INFOKASTEN:

Die Wirtschaftsregion Region Neckar-Alb beheimatet ein ganzes Cluster an Textilunternehmen. Grund dafür ist das steinige Ackerland, das Landwirt*innen wenig Ertrag bringt. Deswegen etablierte sich während der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts der Webstuhl als Einnahmequelle. Der Hype hielt sich bis in die späten 1970er Jahre. Auch wenn die Blütezeit der heimischen Textilien schon länger zurückliegt, finden sich hier noch immer viele Hersteller*innen von hochwertigen Nischenprodukten. Große Bekanntheit genießt das Unternehmen Trigema in Burladingen. Über die alte Weberei der Firma Egeria in Tübingen, könnt ihr in Celines Artikel erfahren.

 

Dazu wollte ich dann auch eines dieser Textilunternehmen besuchen und meine offenen Fragen klären. Eigentlich ist das doch eine gute Sache oder? Das Unternehmen bekommt eine Plattform, auf der es sich als regionaler Made-in-Europe-Produzent präsentieren und für seine Produkte werben kann, während die Leser*innen des Blogs sich an Wissen bereichern können – quasi eine Win-win-Situation.

Ich war begeistert von meinen großen Plänen und setzte mich direkt nach der Redaktionssitzung an den Laptop, um zahlreiche Anfragen per Mail zu verschicken – und dann erst mal zu warten. Ob die Mails überhaupt angekommen sind? Vielleicht sind sie auch im Spam-Ordner gelandet? Hätte ich vielleicht doch lieber anrufen sollen? Es kann doch nicht sein, dass all diese Unternehmen keinerlei Interesse an einem aufklärenden Gespräch mit einer arglosen Studentin haben! Doch tatsächlich: Nach vier Tagen warten, als ich am Rande der Zweifel angekommen bin, kam eine erlösende Antwort von einem Kinderbekleidungshersteller aus Meßstetten. Darin heißt es:

„Das Thema klingt sehr interessant für uns, da wir bei [Name zensiert] auf Nachhaltigkeit und faire Produktion in Europa sehr viel Wert legen.”

Strike! Endlich ein Unternehmen, das meinen Standpunkt anscheinend teilt – wer sich mit den Prädikaten „fair“ und „nachhaltig“ kleidet, hat auf einem Fair Fashion Blog ja eigentlich nichts zu verlieren. Ich solle doch bitte meine Fragen vorab zusenden, schreibt die Firma weiter, danach könne man sich über einen konkreten Termin unterhalten. Nichts leichter als das! Da die Zeit bis zur Abgabe eher knapp bemessen und mein Semester-Planer voll waren, wollte ich die Fragen unbedingt bis zum nächsten Tag eingereicht haben. Das hieß für mich: Nachtschicht! Aber das war nicht so schlimm, immerhin bin ich meinem Ziel, ein spannendes Interview zu führen, erheblich näher gekommen. So arbeitete ich einen Fragenkatalog aus, der sich rund um die eigene Stoffproduktion, die beworbene Textilherstellung ohne Chemikalien und die jüngsten Entwicklungen in der Modebranche drehen. Kein reißerischer Enthüllungsjournalismus, sondern ehrliches Interesse. Vielleicht ist der Grad dazwischen aber eher dünn, denn seit dem Abschicken der Fragen habe ich von dem Unternehmen nicht mehr wesentlich viel gehört. Auf telefonische und schriftliche Nachfragen, ob und wann ich denn mit den Antworten rechnen könne, wurde ich laufend vertröstet: „Da wir gerade in der Hochphase sind kann ich dir leider nichts versprechen.“ Nach einer vereinbarten Deadline kam immer noch keine Rückmeldung. Wie sich dann herausstellte, weil sich die zuständige Marketing-Mitarbeiterin in den mehrwöchigen Urlaub verabschiedet hatte.

Leider scheint mein Schicksal kein Einzelfall zu sein. Auch Hanna Smitmans vom Bündnis FAIRstrickt erzählt mir von ähnlichen Problemen:

„Es ist total schwer an Textil-Unternehmen zu diesem Thema ‘ran zu kommen. […] bei der FAIRstrickt stoßen wir auf exakt dasselbe Problem. Den Unternehmen ist das Thema zu heiß, scheint es. Letztes Jahr habe ich mir wochenlang die Finger vertelefoniert, weil wir Unternehmen für unsere Podiumsdiskussion einladen wollten.“

Ehrlich gesagt bin ich enttäuscht. Regionale Textilproduzent*innen verkaufen sich als nachhaltig, fair und transparent – verkörpern also das Gegenteil von den Fast Fashion Frevlern H&M, Primark und Co. Warum also bekommt man von letzterem Punkt so wenig mit, wenn man aktiv nachfragt, trotz GOTS-Siegel und 100% Bio-Baumwolle?

Auch wenn meine Artikelidee leider gescheitert ist, möchte ich euch keinen Input vorenthalten. Tagblatt-Redakteur Volker Rekittke durfte im Jahr 2014 die Seidenproduktion der Tübinger Firma Rösch vor Ort in China besichtigen und dokumentieren, hier gelangt ihr zu seinem Artikel.