Viel, viel, viel sind alle meine Kleider

Von Cecilia Schütte

Spätestens, wenn ein Jahreszeitenwechsel bevorsteht, juckt es mich in den Fingern. Die Kleidung in meinem Schrank wirkt auf einmal alt und langweilig. Die Teile passen nicht mehr zueinander und zu meinem Stil schon gar nicht. Ich brauche eine schnelle Veränderung. Schon oft hat mich dieses unbestimmte Gefühl dazu verleitet Onlineshops und Kaufhäuser nach der einen besonderen Bluse oder dem vermeintlichen Mantel meiner Träume zu durchforsten. Aber nicht nur ich habe regelmäßig Lust auf etwas Neues. Laut dem Bundesumweltministerium kaufen deutsche Bürger*innen durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Dabei zeigt eine im Auftrag von Greenpeace durchgeführte Studie, dass jedes fünfte Kleidungsstück so gut wie nie getragen wird.  Obwohl uns Mode offensichtlich so wichtig ist, haben wir in den letzten Jahrzenten eine fast schon gleichgültige Haltung ihr gegenüber eingenommen. Wir sind nie zufrieden zu stellen. Haben wir ein paar Schuhe gekauft, wandert unser Blick schon zum nächsten. Dabei könnte gerade das gute Gefühl, das uns „schöne“ Kleidung gibt, ein Grund sein innezuhalten.

„Clothing is our chosen skin, our second skin (…)“ hat Orsola de Castro von der Organisation Fashion Revolution treffend formuliert. Wir schlüpfen in unsere Bekleidung, um unseren Körper vor Wind und Wetter zu schützen. Daneben ist sie aber auch Teil unserer Körpersprache und der zwischenmenschlichen Kommunikation. So dient Kleidung oft als Ausdrucksmittel von Stimmung, Individualität und Kreativität. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Möglichkeit sich eine zweite Haut auszusuchen und anzulegen ein Privileg ist. Wie so viele Vorzüge, sollte jedoch auch dieser nicht verantwortungslos genossen werden. Die Gesellschaft muss sich bewusstwerden, dass ihr Modekonsum oft mit schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen einhergeht. So wird der Großteil der Arbeiter*innen in der Textilindustrie zu Hungerlöhnen und ohne Einhaltung von Sicherheitsstandards beschäftigt. Viel zu oft sind sie zudem den giftigen Chemikalien ausgesetzt, die bei der Textilveredelung zum Einsatz kommen. Dabei schädigen diese Stoffe nicht nur die menschliche Gesundheit, sondern auch die Natur, die mit ihnen über das Abwasser in Kontakt kommt. Durch die Produktion der Textilien werden schließlich auch große Mengen an Umweltressourcen verbraucht. Gerade der Anbau von Baumwolle belastet die Umwelt sehr. Er raubt ganzen Regionen das Wasser und schadet dem Erdreich. Dies sind nur einige der Gründe, warum die Gesellschaft Kleidung nicht als Wegwerfprodukt betrachten sollte. Sie wiegen jedoch so schwer, dass sie mich gezwungen haben mein eigenes Konsumverhalten genauer zu betrachten und zu hinterfragen. In der Folge habe ich mich damit auseinandergesetzt welche Alternativen es zum Neukauf gibt.

Es gibt zahlreiche Alternativen zum Neukauf

Obwohl ich schon immer deutlich weniger als 60 Kleidungsstücke pro Jahr gekauft habe weiß ich, dass meine Kaufentscheidung viel zu oft auf dem unbestimmten Gefühl, irgendetwas Neues haben zu wollen, beruht hat. Ich bin mir außerdem bewusst, dass die Kleider in meinem Schrank bei weitem nicht gleich oft getragen werden. Schon nach der ersten Auseinandersetzung mit dieser Thematik habe ich den Entschluss gefasst, mein Konsumverhalten ändern zu müssen. Logischerweise haben mich die ersten Schritte auf diesem Weg an die offene Tür meines Kleiderschranks geführt.

Wegen einer schweren, unförmigen Kapuze hätte ich diesen Pullover fast aussortiert. Jetzt trage ich ihn wieder gerne und regelmäßig! Quelle: eigene Aufnahme

Die einfachste Art, um die Lust auf eine neue Garderobe zu befriedigen, ist für mich tatsächlich im eigenen Kleiderschrank auf Shoppingtour zu gehen. In regelmäßigen Abständen breite ich alles, was ich habe auf meinem Bett aus und räume es nach und nach wieder ein. So entdecke ich einzelne Teile wieder und vermeide gleichzeitig noch einmal etwas Ähnliches zu kaufen. Wenn sowieso schon alles durcheinander ist, nutze ich oft auch die Gelegenheit, um neue Kombinationen oder Trageweisen auszuprobieren. Genau wie bei einem echten Stadtbummel sind dabei Zeit und gute Laune wichtige Grundvoraussetzungen.

Natürlich finde ich bei diesem Prozess auch ab und zu Kleidungsstücke, die mir nicht richtig passen oder mir aus irgendeinem Grund nicht mehr gefallen. Bevor ich sie aussortiere und durch etwas Neues ersetze, versuche ich genau zu benennen, warum ich sie nicht mehr trage. Es hat sich gezeigt, dass meine Kritikpunkte oft verändert werden können. So habe ich schon (mit Hilfe meiner Mutter) Kapuzen abgetrennt, Hosenbeine gekürzt oder Kleider enger gemacht.

Früher waren diese Hausschuhe ein Erinnerungsstück an einen Österreich-Urlaub. Jetzt erinnern sie mich immer an die ersten Monate mit meinem Hund. Quelle: eigene Aufnahme

Bei kaputten Kleidungsstücken überlege ich, ob das Teil so repariert werden kann, dass es mir später noch Freude macht. Ein gestopftes Loch in einem gemusterten Oberteil fällt beispielsweise überhaupt nicht auf. Andererseits können besondere Aufnäher Makel verstecken und das Kleidungsstück gleichzeitig auch noch interessanter machen.

T-Shirts, die in der unteren Hälfte Löcher bekommen haben, verwandele ich oft in Crop Tops.  Dafür schneide ich den kaputten Teil einfach mit einer Textilschere ab. Da sich der Stoff anschließend etwas einrollt, ist es egal, wenn der Schnitt nicht ganz gerade war!

Um möglichst lange etwas von meiner Garderobe zu haben, versuche ich sie außerdem möglichst gut in Stand zu halten. Ich achte z.B. darauf, wie ich sie wasche, trockne und lagere. Da ich am liebsten dunkelblaue Jeans trage, ist mein neustes Projekt, den ausgeblichenen Stoff selbst nachzufärben. Ich habe mir bei der Drogerie Textilfarbe gekauft und werde sie mit Hilfe der Waschmaschine anwenden. Auf das Ergebnis bin ich schon sehr gespannt!

Manchmal liegt das Gold auch auf der Straße!

Natürlich möchte und braucht man auch manchmal „neue“ Kleidung. Aber auch dann gibt es einige Optionen, die in Erwägung gezogen werden können, bevor man ein Geschäft aufsucht. Wie wäre es zum Beispiel, eine Kleidertauschparty mit den Freund*innen zu veranstalten? Manchmal wird ein solches Event sogar in einem größeren Rahmen organisiert. So gab es zum Beispiel vor der Pandemie einen öffentlichen Kleidertausch am Tübinger Holzmarkt. Es lohnt sich immer wieder mal im Internet nach lokalen, geplanten Veranstaltungen zu suchen.

Ein Beispiel für einen Tübinger Tauschschrank! Falls du dir einen in deiner Nähe wünschst…wie wäre es mit einem Nachbarschaftsprojekt?! Quelle: eigene Aufnahme

Wer in der Altstadt von Tübingen unterwegs ist, kommt außerdem regelmäßig an Kisten mit der Aufschrift „zu verschenken“ vorbei. Neben vielen Nieten habe ich hier auch den ein oder anderen Glücksgriff gehabt. Hält man die Augen offen, stößt man vielleicht auch auf besser organisierte Angebote für kostenlose Kleidung. Diese „Tauschschränke“ sind mancherorts auch im Internet aufgelistet.

In meinem eigenen Freundeskreis ist es außerdem üblich sich gegenseitig darauf aufmerksam zu machen, wenn man den eigenen Kleiderschrank ausmistet. Außerdem können auch bei den eigenen Eltern oder anderen Verwandten noch vergessene Schätze im Schrank schlummern. Es lohnt sich die Augen und Ohren offen zu halten!

Eine Option, die ich persönlich erst selten angewendet habe, aber in Zukunft häufiger nutzen möchte, ist das Ausleihen von Kleidung. Wenn ich überlege, welche Kleidungsstücke in meinem Schrank am seltensten das Tageslicht erblicken, sind es meistens solche, die in die Kategorie „schick“ fallen. Wenn es wieder mehr Anlässe gibt, um sich zurecht zu machen, kann ich mir durchaus vorstellen auch Freundinnen nach passender Abendgarderobe zu fragen.

Dass Kleidung zu verleihen auch ein Geschäftsmodell sein kann, ist nicht neu. In den meisten größeren Städten ist es möglich Garderobe für besondere Anlässe, wie z.B. Hochzeiten auszuleihen. Einen Schritt weiter geht die Kleiderei, zu der bisher zwei Filialen in Freiburg und Köln gehören. Hier kann man nämlich auch Alltagskleidung leihen! Jede Person darf bis zu vier Teile mitnehmen und kann sie, so oft sie will, gegen andere eintauschen. Ein solches Angebot ist ideal, um sich auszuprobieren und Fehlkäufe zu vermeiden. Wer weiß, vielleicht könnte so eine Art Kleiderhandlung auch irgendwann in Tübingen eröffnen!

Trotz allem möchte ich manchmal nicht erst auf Schatzsuche gehen, bevor ich ein bestimmtes Kleidungsstück mein Eigen nennen kann. In diesen Fällen habe ich aber immer noch die Möglichkeit, mich dort umzusehen, wo gebrauchte Kleidung zum Kauf angeboten wird. In und um Tübingen finden sich viele verschiedene Second-Hand-Geschäfte. Aber gerade auch im Internet gibt es zahlreiche Angebote. Hier besteht die Möglichkeit sehr gezielt nach einem bestimmten Kleidungsstück zu suchen und es ggf. auch direkt von einer Privatperson zu kaufen. Am Ende dieses Artikels habe ich eine Liste mit verschiedenen Optionen für Second-Hand-Shopping zusammengestellt!

Nachhaltiger Konsum macht Spaß

Seitdem ich die aufgezählten Optionen anwende oder in Erwägung ziehe, ist mein Konsum von Neuwaren deutlich weniger geworden. Außerdem habe ich entdeckt, dass das Instandhalten oder Finden von Kleidung meine Kreativität beansprucht und richtig Spaß machen kann. Der Bummel durch meinen eigenen Kleiderschrank ist auch deutlich günstiger als der klassische Stadtbummel. Trotzdem muss ich sagen, dass mir das Gefühl, etwas Neues kaufen zu wollen, nicht wirklich fremd geworden ist. Warum es mich trotz allem immer wieder überfällt und worin es wurzelt, würde aber wohl einen eigenen Artikel füllen.

Wie sieht‘s bei dir aus? Hast du dein eigenes Kaufverhalten schon einmal unter die Lupe genommen? Erzähl uns gerne, wie das für dich war und was dir dabei aufgefallen ist!

 

Hier kannst du nach Second-Hand-Kleidung stöbern:

Offline (in Tübingen):

  • Trouvé Samt & Sonders aus zweiter Hand, Neckarhalde 8, 72070 Tübingen
  • Unikat Vintage, Kronenstraße 17, 72070 Tübingen
  • La Seconda, Stöcklestraße 15, 72070 Tübingen
  • Südstern Second Hand, Gölzstraße 8, 72070 Tübingen
  • Lorinetta Kindersecondhand, Ruth-Marx-Straße 15, 72070 Tübingen

Online:

Neben dem Fairstrickt-Blog findest du hier jede Menge weiterführende Informationen zu einem nachhaltigen Modekonsum und dem Aktivismus in diesem Bereich:

Wenn du dir überlegst deinen Kleiderschrank auszumisten, solltest du mal einen Blick hierauf werfen:

  • https://www.youtube.com/watch?v=bY7h14FxEUw
  • https://utopia.de/ratgeber/richtig-kleider-spenden/

Quellen:

https://www.quarks.de/umwelt/kleidung-so-macht-sie-unsere-umwelt-kaputt/

https://www.bmu.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/konsum-und-produkte/produktbereiche/mode-und-textilien

https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20151123_greenpeace_modekonsum_flyer.pdf

https://www.rnz.co.nz/national/programmes/ninetonoon/audio/2018797357/orsola-de-castro-on-bringing-old-clothes-back-to-life

Kleiderei-Home

https://pixabay.com/de/photos/kleidung-mode-kleiderb%c3%bcgel-gesch%c3%a4ft-3987617/

Bildquellen:

Pixabay, Cecilia Schütte